Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
Vom Netzwerk:
offenbar ohne Hemd dasitzen, bis das Feuer ihn getrocknet hatte. Ein Mal an seinem Arm fiel ihr auf, und sie holte tief Atem und stellte sich ein leeres Buch vor, eine leere Seite nach der anderen. Doch dann bemerkte sie ein ähnliches Mal an seinem anderen Arm, und ihre Neugier siegte. Sie konnte sich nicht helfen, sie schielte auf seine Arme. Es war schließlich nichts falsch daran, sich für diese Muster zu interessieren, die auf seine Haut gemalt schienen, dunkle, dicke Bänder, um jeden Arm gewickelt, wo seine Schultermuskeln endeten und die Armmuskeln begannen. Die Bänder, eines um jeden Arm, waren mit verschlungenen Mustern geschmückt, anscheinend in verschiedenen Farben. Im Licht des Feuers war das schwer zu erkennen.
    »Das ist Lienid-Schmuck«, sagte er, »wie die Ringe in meinen Ohren.«
    »Aber was ist es?«, fragte sie. »Ist es aufgemalt?«
    »Ja, mit einer Art Farbe.«
    »Und es lässt sich nicht abwaschen?«
    »Es hält viele Jahre.«
    Er griff in eine seiner Taschen und holte ein trockenes Hemd heraus. Er zog es über den Kopf. Katsa dachte an eine große leere Schneefläche und stieß einen kleinen erleichterten Seufzer aus. Sie reichte ihm die Keule.
    »Die Lienid lieben Schmuck«, sagte er.
    »Tragen auch Frauen diese Male?«
    »Nein, nur die Männer.«
    »Auch die aus dem Volk?«
    »Ja.«
    »Aber das sieht niemand«, sagte Katsa. »Die Kleidung der Lienid lässt die Oberarme der Männer nicht frei, oder?«
    »Nein. Es ist ein Schmuck, den kaum jemand sieht.«
    Sie fing ein Lächeln in seinen Augen auf, das im Licht zu ihr herüberblitzte.
    »Was ist so komisch?«
    »Es soll meiner Frau gefallen«, sagte Bo.
    Katsa ließ beinah ihr Messer ins Feuer fallen. »Du hast eine Frau?«
    »Bei allen großen Meeren, nein! Ehrlich, Katsa – glaubst du, ich hätte sie nicht schon erwähnt?«
    Er lachte jetzt, und sie schnaubte. »Ich weiß nie, was du von dir preisgeben willst, Bo.«
    »Dieser Schmuck ist für die Augen der Frau gedacht, die ich einmal haben soll«, sagte er.
    »Wen wirst du heiraten?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich konnte mir noch nie vorstellen, jemanden zu heiraten.«
    Sie kam auf seine Seite des Feuers und schnitt sich die andere Gänsekeule ab. Dann ging sie zurück und setzte sich. »Machst du dir keine Gedanken über dein Schloss und dein Land? Über Erben?«
    Wieder zuckte er die Achseln. »Nicht genug, um mich an eine Person zu binden, an die ich nicht gebunden sein will. Ich bin allein ganz zufrieden.«
    Katsa war überrascht. »Ich hatte mir vorgestellt, dass du in deinem eigenen Land eher ein – soziales Geschöpf bist.«
    »Wenn ich in Lienid bin, füge ich mich, wenn nötig, ganz ordentlich in die normale Gesellschaft ein. Aber ich tu nur so, Katsa; es ist immer nur Theater. Es ist anstrengend, meine Gabe zu verbergen, besonders vor meiner Familie. Wenn ich in der Stadt meines Vaters bin, dann wartet ein Teil von mir nur darauf, wieder auf Reisen gehen zu können. Oder in mein Schloss zurückzukehren, wo man mich in Ruhe lässt.«
    Das verstand sie sehr gut. »Ich nehme an, wenn du je heiratest, dann nur eine Frau, der du die Wahrheit über deine Gabe anvertrauen kannst.«
    Er lachte auf. »Ja. Die Frau, die ich heirate, müsste eine ganze Anzahl ziemlich unmöglicher Anforderungen erfüllen.« Er warf den Knochen seiner Keule ins Feuer und schnitt sich ein neues Stück Fleisch von der Gans ab. Um es abzukühlen, blies er darauf, dann fragte er: »Und was ist mit dir, Katsa? Du hast Giddon das Herz gebrochen, als du abgereist bist, stimmt’s?«
    Schon der Name machte sie ungeduldig. »Giddon! Kannst du wirklich nicht verstehen, warum ich ihn nicht heiraten will?«
    »Ich sehe tausend Gründe, warum du ihn nicht heiraten willst. Aber ich weiß nicht, was dein Grund ist.«
    »Selbst wenn ich heiraten wollte, würde ich Giddon nicht nehmen. Aber ich werde nicht heiraten, niemanden. Ich bin überrascht, dass du das Gerücht nicht gehört hast. Du warst doch lange genug an Randas Hof.«
    »Oh, ich habe es schon gehört. Aber ich habe auch gehört, dass du eine Art willenlose Schlägerin und Randas Werkzeug seist. Beides hat sich als unwahr herausgestellt.«
    Da lächelte sie und warf ihren Knochen ins Feuer. Eines der Pferde schnaubte. Ein paar kleine Tiere huschten in den Teich, das Wasser schloss sich schmatzend über ihnen. Katsa seufzte, plötzlich war ihr warm, sie war zufrieden und satt.
    »Raffin und ich haben einmal übers Heiraten gesprochen«, sagte sie. »Er ist

Weitere Kostenlose Bücher