Die Beschleunigung der Angst
gewesen, jeder Einzelne ein
richtiger Künstler in seinem Metier. Doch leider waren sie auch polizeibekannt
und hatten keine Angestellte der Bank aufzuweisen gehabt, die ihnen bei dem
Raub helfen würde. Und Yvonne hatte sich geweigert, mit jemand anderem als
Marco und Keiler zusammenzuarbeiten. Also hatte das Pendel zugunsten Marcos
Team ausgeschlagen. Unerfahren, aber mit gutem Plan. Und irgendwann musste
jeder mal anfangen.
Und dann hatten sie es so
vergeigt, diese beschissenen Anfänger. Sie hätten nur das Schließfach
aufbrechen sollen, aber stattdessen ballerte dieser Keiler durch den
Schalterraum wie Billy the Kid. Natürlich hatten sie damit ihre Belohnung
verspielt. Die hätte es nur bei einem reibungslosen Ablauf gegeben. Aber so
stieg das Risiko, entdeckt zu werden für alle Beteiligten, und das schlug sich
nun mal im Lohn nieder.
Dass seine Entscheidung ein
Fehler gewesen war, ärgerte ihn. Dieser dämliche, schießwütige Keiler. Xerxes
schüttelte den Kopf. Es war unumgänglich gewesen, ihn auszuschalten. Marco und
Yvonne mochten es als überzogen betrachten, doch er hatte ihnen einen Gefallen
damit getan, diesen unzurechnungsfähigen Spinner umzulegen. Jetzt konnten sie
zu zweit fliehen und neu anfangen. Was für ein Geschenk er ihnen gemacht hatte!
Irgendwann würden sie es zu schätzen wissen. Und wenn nicht, sollten sie ihn am
Arsch lecken.
Sie hatten verdammtes Glück,
dass er so gut gelaunt gewesen war, ansonsten hätte er sie alle drei erschießen
lassen. Für Mike wäre das nicht erwähnenswerter gewesen als sein täglicher
Morgenschiss.
Insgeheim war Xerxes der
Überzeugung, dass Mike enttäuscht gewesen war, dass er nur Keiler die Rübe
wegpusten durfte. Er war noch jung und hungrig, ständig auf der Suche nach
Möglichkeiten, seine Loyalität zu beweisen. Ein guter Mitarbeiter, dem man
vertrauen konnte. Ganz im Gegensatz zu Marco, Yvonne und Keiler.
Er blickte auf den Sitz
neben sich, auf dem er den Behälter geparkt hatte. Er strich über die glatte
Oberfläche, und sein Ärger verflog etwas. Insgesamt hatte es sich doch gelohnt,
auch wenn er jetzt erstmal wieder für einige Zeit würde untertauchen müssen.
Xerxes schüttelte den Kopf.
Alleine die Szenerie, die sich ihm dargestellt hatte, als er den Ballsaal
betrat. In der einen Ecke der in Leder gekleidete Perverse, dem Keiler das
Licht ausgepustet hatte und der fröhlich aus seinem verbliebenem Kopf blutete.
Dann die beiden verängstigten Küken, die beide zur falschen Zeit am falschen
Ort gewesen waren. Und der Polizist, gefesselt mit seinen eigenen Handschellen.
Und, vor Angst zitternd, Marco, Yvonne und Keiler.
Unglaublich. Beschissene
Anfänger eben. Greenhorns.
Was hatte Marco gesagt? Sie
hatten einen Snuff-Film drehen wollen. Einen Snuff-Film! Was für kranke
Arschlöcher sahen sich denn sowas an, geschweige denn wollten so etwas drehen?
Nicht zu fassen.
Irgendetwas störte ihn
daran. Einen Film drehen. Er schob den Gedanken in seinem Kopf hin und her.
Warum ließ ihn das nicht in Ruhe?
Das Brennen in seinen Augen
hatte nachgelassen, fühlte sich jedoch immer noch so an, als hätte er Benzin
hineingeträufelt. Er schloss die Augen ein weiteres Mal und rief sich den
Ballsaal zurück ins Gedächtnis.
Die ausgefransten Gesichter,
die Auren um ihre zerfließenden Körper. Er verfluchte seine Augen. Wenn er doch
nur richtig sehen könnte. So war vieles in seinem Leben verloren in Unschärfe,
die Schönheit der Kunst im Großen, das Ansehen eines Films im Kleinen, all dies
blieb ihm so gut wie verwehrt.
Da war es wieder. Film. Und
dann traf es ihn mit der Wucht einer außer Kontrolle geratenen Abrissbirne. Um
einen Film zu drehen, brauchte man eine Kamera. Und er konnte sich an einen
schwarzen Kasten erinnern, der auf dem Boden lag. Und er meinte, dünne Striche
gesehen zu haben, die steif von diesem Kasten wegzeigten. Eine Kamera mit einem
Stativ? Er wusste es nicht. Doch er musste sicher sein. Er konnte es sich nicht
leisten, auf Film oder Festplatte gebannt zu werden.
»Halt an!«, schrie er.
Mike zuckte zusammen.
»Was?«, fragte er.
»Du sollst anhalten und
umdrehen. Wir müssen zurück!«
Mike hielt an und drehte
sich um.
»Warum ...«
»Tu was ich dir sage. Dreh um
und fahr verdammt nochmal zurück zur Ruine!«
Kapitel 23
Marco schrie auf, ein Laut,
der an ein verwundetes Tier erinnerte, und ein schwarzes Metallteil, auf dessen
Oberfläche öliges Mondlicht reflektierte, rotierte an Daniels Kopf vorbei.
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