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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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erschossen
zu werden. Doch welchen Unterschied machte das schon? Er musste versuchen,
Marco in ein Gespräch zu verwickeln, seine Konzentration zu stören, um dann
gnadenlos zuzuschlagen. Mit was und wie auch immer. Zu seiner Überraschung
antwortete der Hüne tatsächlich.
    »Guter Freund? Ja,
wahrscheinlich ist das so. Ich kenne ihn seit meiner Jugend. Haben schon
einiges miteinander erlebt wir beide. Er ist ein verrückter Hund, das kannst du
mir glauben.« Pause. »War.«
    »Warum hat Xerxes ihn
umbringen lassen? Ihr habt ihm doch besorgt, was er wollte.«
    Sie hatten die Baumkrone
umrundet. Vorne links lag die Hofeinfahrt, durch die Daniel und Thomas gestern
Abend vor einer Million Jahren angekommen waren. Marco und er gingen jedoch
weiter geradeaus, vorbei am Geländewagen in Richtung Unterholz.
    »Es war Warnung und
Bestrafung. Keiler hat den Banküberfall versaut, also musste er sterben. Wenn
Xerxes nicht so gut gelaunt gewesen wäre, wären wir jetzt alle tot.«
    »Was war in dem Kasten?«
    Der große Mann hinter Daniel
stieß ein Schnauben aus, dass sowohl ein Lachen als auch Verärgerung hätte sein
können.
    »Ich könnte es dir erzählen,
Daniel. Doch danach müsste ich dich töten.«
    »Du willst mich sowieso
umbringen, erinnerst du dich? Du führst mich gerade zu einem Platz, an dem ich
mein eigenes Grab schaufeln soll.
    Wieder dieses Schnauben.
    »Ja, das stimmt. Ich werde
es dir trotzdem nicht erzählen.« Die Waffe stieß ihm wieder ins Fleisch.
»Weiter ins Unterholz.«
    »Warum arbeitest du für
einen solchen Mann?«
    »Für wen arbeitest du,
Daniel?«
    Daniel ersparte es sich,
Marco zurechtzuweisen, dass man auf eine Frage nicht mit einer Gegenfrage
antwortete. Irgendwie fühlte er sich nicht in der Position, Rügen zu verteilen.
    »Ich arbeite in einer
Zweigstelle eines großen Telekommunikationskonzerns als Verkäufer.«
    »Das klingt in etwa so
interessant wie ein Wetthäkeln. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Für
wen arbeitest du?«
    Daniel zuckte die Achseln.
    »Wir sind ein großer
Konzern. Wir haben weit über eine Million Kunden ...«
    Marco unterbrach ihn.
    »Spar dir deine Werbung. Ich
glaube nicht, dass ich in nächster Zeit eure Dienste brauche. Und ich denke
nicht, dass dein piekfeiner Laden mir einen Handyvertrag verkaufen würde, bei
meinen Einträgen in diversen Auskunfteien. Aber egal. Was ich dir sagen wollte,
ist, dass du für dich arbeitest. Nur für dich. Weil du damit über die Runden
kommen musst. Du hast einen Weg gewählt, wie du das anstellen willst. Ich einen
anderen. Du musst, wie fast jeder andere Mensch auch, riesige Haufen Scheiße
aus dem Weg räumen, um es deinen Chefs, Geschäftspartnern oder Kunden recht zu
machen. Das muss ich auch, nur mit dem Unterschied, dass meine Geschäftspartner
nicht brav Bitte und Danke sagen. Und ich habe keine Handschuhe, damit keine
Scheiße an meinen Fingern kleben bleibt, während du eine chromblitzende
Schaufel in die Hand gedrückt bekommst. Doch wie man den Haufen Scheiße
abträgt, ist nebensächlich. Jeder tut es auf seine Weise. Hast du verstanden,
was ich meine?«
    Daniel verließ den Hof und
betrat das Unterholz. Diesen Weg hatte er genommen, als er sich vor Kurt und
Piet versteckt hatte. In den umgebenden Büschen raschelte es.
    »Ich glaube schon. Oder
vielleicht auch nicht. Keine Ahnung«, sagte er.
    Marco lachte.
    »Das habe ich mir gedacht.
Ich weiß selbst nicht, ob ich es verstanden habe.« Mit den nächsten Worten
verschwand das Lachen aus seiner Stimme. »So, das reicht jetzt.«
    Daniel blieb stehen, und er
spürte, wie das Klebeband um seine Handgelenke durchgeschnitten wurde. Er hatte
Marco zum Reden gebracht, und auch wenn er nicht sicher war, ob er seine
Aussagen kapiert hatte oder nicht, wusste er doch, dass er ihn am Reden halten
musste. Er hatte immer noch keinen konkreten Plan, doch die Konzentration des
Mannes auszuhöhlen schien ihm erfolgversprechender zu sein als auf gut Glück in
den Wald zu rennen oder einen Angriffsversuch zu wagen.
    Er drehte sich um und sah
Marco, der seine Stiefelspitze in das Erdreich drückte und Walderde,
Tannenzapfen und Blätter umherspritzen ließ. Ein kurzer Blick zum Himmel -
keine Wolken zu sehen - und Marco knipste die Taschenlampe aus. Ohne den Blick
von Daniel abzuwenden, ließ er sie in der Außentasche seiner Uniformhose
verschwinden.
    »Hier ist die Erde schön
locker.«
    Er reichte Daniel den Klappspaten,
der das olivfarbene Werkzeug aufnahm,

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