Die Beschützerin
Redebedarf hatte.
Ihr Begleiter betrachtete mich irritiert, dann glomm in seinen Augen Interesse auf. Vielleicht sah er in mir ein neues Flirtobjekt, noch dazu eher in seiner Altersklasse. Er sah ganz sympathisch aus, hatte schwarzes, kurz geschnittenes Haar und ein paar Lachfältchen um die Augen.
»Tom.« Er nahm den Arm von Ullas Schulter und drückte meine Hand.
»Janne.«
»Er jobbt in meiner alten Redaktion beim Abendkurier «, sagte Ulla. »Hat mir ein bisschen Klatsch und Tratsch erzählt.«
»Generation Praktikum«, meinte Tom mit einem Grinsen. »Und was machst du so?«
Ulla unterbrach, bevor ich antworten konnte. »Es ist genauso, wie ich erwartet habe. Freie Mitarbeiter schreiben jetzt die Gerichtsreportagen. Tom sitzt für den Abendkurier im Landgericht.« Sie sprach im Plauderton, doch ich kannte sie gut genug, um den Unterton zu hören. Es hatte sie hart getroffen, ihre feste Stelle zu verlieren. Seitdem schlug sie sich mehr schlecht als recht als freie Journalistin durch, nahm jeden Auftrag an, den sie bekommen konnte.
»Hast du Jura studiert?«, fragte ich Tom.
»Nö«, meinte er. »Journalismus.«
»Aber musst du dich da nicht mit juristischen Inhalten auskennen?«, fragte ich ehrlich verwundert.
»Ach was, das wird überschätzt. Klar, ich lese mich ein bisschen ein. Aber so genau nimmt die Redaktion das nicht.«
»Er ist billig. Und verfügbar. Darauf kommt es an. Nicht?« Ulla warf ihm einen spöttischen Blick zu.
Tom schien sich unbehaglich zu fühlen, auf seiner Stirn glänzte SchweiÃ. Er rutschte auf der Bank herum. »Na, ich werd dann mal ⦠Muss morgen früh raus.« Er sah Ulla schüchtern an. »Kann ich dich mal anrufen? ⦠Ich meine, wenn ich höre, dass die jemanden suchen. Oder wenn ich einen Rat brauche? Oder Fragen zu einem Prozess habe?«
Sie musste lachen, aber es klang bitter. »Klar. Meine Nummer hast du ja.«
»Super. Ich melde mich ganz bestimmt. Gute Nacht.«
Ulla nickte. »Träum was Schönes. Von einem festen Job zum Beispiel. Nur leider nicht beim Abendkurier .«
Tom gab ihr einen schnellen Kuss auf jede Wange, lächelte mich verunsichert an und drängelte sich in Richtung des Ausgangs durch.
Ulla blickte ihm nach. »Putzig, oder? âºKann ich dich mal anrufen? Wenn ich einen Rat brauche?â¹ Ob er glaubt, er macht alten Frauen mit so was eine Freude? Oder damit, ihre jungen Freundinnen anzustarren?«
Ich bestellte per Handzeichen zwei Bier für uns. »Du bist ungerecht«, meinte ich. »Was kann er dafür?«
»Wofür?« Ulla verschränkte die Arme.
»Dafür, dass du deinen Job verloren hast. Dass du keinen Partner hast. Dass er zu jung und zu naiv ist, um dich geistvoll zu unterhalten. Dass er Angst hat, mit dir ins Bett zu gehen. Dass du aber genau das von ihm willst und nichts weiter.« Ich zwinkerte ihr zu. »Dafür, dass du eine frustrierte alte Schachtel bist.«
Ulla erwiderte meinen Blick, ein Funkeln in den Augen. Dann lachte sie los. »Danke für die liebevolle Einschätzung!«
»Gern geschehen.«
»Und?«, fragte sie. »Warum ziehst du die ganze Zeit so ein Gesicht?«
»Wegen Gregor.« Ich zögerte. »Ich hab ihn versetzt.«
»Das hör ich in letzter Zeit aber oft von dir.«
Ich schluckte. Ulla hatte recht, aber es ärgerte mich, dass sie es aussprach.
»Was war denn wieder los?«
»Wir waren bei mir verabredet, doch dann musste ich spontan mit der neuen Unternehmensberaterin was essen gehen. Er hat natürlich sein Handy ausgeschaltet. Und jetzt ist er verschollen.«
»Ich findâs gut, dass er sich nicht alles gefallen lässt.«
Ich erzählte Ulla von meinem verdorbenen Wochenende und vom ersten Tag mit dem Bloomsdale-Team. Von Vanessa Ott. »Sie ist mir sympathisch, aber ich kann sie nicht so richtig einschätzen.« Ich berichtete von Vanessa Meinungswandel zu Miranda Glassâ Engagement und auch von der Show, die Vanessa Ott als Pauls »Model« aufgeführt hatte. »Ich konnte mir nicht vorstellen, was in ihr vorging. Ich meine, sie ist mitten im Einsatz als Unternehmensberaterin, sie hat uns zu analysieren und zu bewerten und entscheidet am Ende darüber, ob wir unseren Job behalten oder nicht. Wenn Evelyn oder Heike, eine von uns, so eine Performance gebracht hätten, dann hätte ich mich
Weitere Kostenlose Bücher