Die Beschützerin
tippte einen ersten Entwurf in meinen Computer. Ich dachte nicht darüber nach, wieso wir den ganzen Abend in Ruhe gelassen wurden. Weder von Hirten noch die Unternehmensberater störten uns. Doch je länger ich plante und überlegte, desto unruhiger wurde Michaela. Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Janne â¦Â«
»Was?«
»Die Sache hat einen Riesenhaken.«
»Wieso denn?« Ich wollte jetzt nichts Kritisches hören.
»Bist du nicht mehr mit Jörg befreundet?«, platzte Michaela heraus.
Ich schwieg. »Doch, wieso?«, sagte ich dann trotzig.
»Weil ⦠du ihm so seine Karriere kaputtmachst.«
Ich blickte sie an. »Er bleibt Moderator des Smiling Kids Day.«
»Ja! Aber du streichst die Show. Er ist nur Gast in anderen Sendungen.«
Michaela sprach aus, was ich befürchtet hatte. Jörg würde das nicht akzeptieren.
»Dann weià ich auch nicht weiter. Vielleicht hat ja von Hirten eine bessere Idee«, meinte ich. »Eine Variante, bei der alles so bleibt, wie es ist, die aber nur die Hälfte kostet.«
»Der doch nicht. Nie im Leben.«
Inzwischen konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Auch Michaela sah erschöpft aus. Es ging auf zehn Uhr zu. »Machen wir Schluss. Die Präsentation ist erst übermorgen. Ich hab mir Notizen gemacht. Morgen schauen wir mit klarem Kopf noch mal drauf.« Ich schaltete meinen Computer aus.
»Michaela?« In der Tür wandte sie sich zu mir um. »Danke, dass du mir hilfst.«
Sie spreizte zwei Finger zum Victoryzeichen. Dann verschwand sie über den Flur.
Langsam packte ich meine Handtasche und ging, noch immer in Gedanken zum neuen Konzept versunken, zum Aufzug. Bis auf die Notbeleuchtung lag die Etage im Dunkeln. Michaela schien bereits weg zu sein.
Als ich durchs Foyer im Erdgeschoss auf den Ausgang zulief, sah ich direkt davor auf dem Bürgersteig einen weiÃen Alfa Romeo. Ich blieb stehen. So einen Wagen fuhr Vanessa Ott. Es schien niemand darin zu sitzen.
»Nun wirdâs aber Zeit, Frau Amelung«, schimpfte Herr Keipke aus seiner Pförtnerloge. »Sie wollen doch hier nicht übernachten, oder?«
»Nein, ich freue mich auf mein eigenes Bett.« Ich ging zu ihm. »Ist Frau Ott von Bloomsdale noch im Gebäude?«
»Die ist gerade weg. Und vor zwei Minuten ist Frau Meiffert rausgegangen.« Er lehnte sich nach vorn über seinen Tresen. »Und ich hab eine Woche Spätschicht. Da bekommt man so wenig mit. Wie läuft es denn mit den Heuschrecken?«
Ich musste schmunzeln, dass er die Bloomsdale-Leute so nannte. »Wenn ich das wüsste. Sie tun sehr geheimnisvoll.«
In seiner Kabine war ein Piepsen wie von einem Wecker zu hören. »Oh, schon zehn ⦠Zeit fürs Abendessen.« Er holte eine Butterbrotdose aus einer abgeschabten Aktentasche und nahm eine zusammengeklappte Stulle heraus. Sie duftete nach Salami, und ich spürte auf einmal, wie hungrig ich war. Seit dem frühen Mittag hatte ich nichts gegessen. Mein Kühlschrank zu Hause hatte sich auch nicht von selbst gefüllt. Und um noch irgendwo einzukehren, war ich viel zu müde.
»Sie starren mein Wurstbrot an wie eine Heiligenerscheinung. Hier.« Er reichte mir die Stulle und nahm sich eine neue aus der Dose. »Genug für uns beide.«
»Danke.« Wir kauten schweigend.
»Na ja, mich können die nicht einsparen«, sagte er. »Irgendeiner muss ja hier sitzen und alles im Griff haben.«
»Das ist wahr. Ich finde auch, Sie sind unersetzbar. Noch mal danke für die lebensrettende MaÃnahme.« Ich wischte mir ein paar Brotkrümel vom Mund, und wir wünschten uns eine gute Nacht.
Vor dem gläsernen Ausgang parkte noch immer das weiÃe Cabriolet. Vanessa Ott lehnte an der Fahrertür. Bei ihr stand Michaela, und sie unterhielten sich. Ohne mich um Herrn Keipkes neugierige Blicke zu kümmern, wartete ich in der Halle.
Jetzt ging Michaela um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Sie setzte sich hinein. Vanessa Ott stieg auf der Fahrerseite ein und fuhr los. Ich lauschte, bis das Motorengeräusch verhallt war.
Auf der Fahrt nach Hause wuchs mein Misstrauen. Konnte es sein, dass die Begegnung vor der Tür kein Zufall war? Dass Vanessa Ott auf Michaela gewartet hatte? Worüber redeten die beiden? Michaela war in meine Pläne eingeweiht. Ich versuchte, mich zu beruhigen. Sie würde niemals Vanessa Ott von
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