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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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zu klingen. Aber als ich an die Tür meines Chefs klopfte, war mir mulmig zumute. Ich hatte damit gerechnet, die ganze Runde bei ihm anzutreffen, und war erstaunt, dass er allein im Zimmer war.
    Als ich eintrat, blickte er auf und seufzte. »Nun haben wir den Salat«, meinte er. »Wäre ich bloß nicht weggefahren. Ich dachte wirklich, ich hätte dir die Sache überlassen können.«
    Ich setzte mich auf seinen Besucherstuhl. »Das muss ja eine sehr spontane Reise gewesen sein.«
    Seine Augen wurden schmal, als er merkte, dass er mich nicht eingeschüchtert hatte. »Der Vorstand will ein Sparkonzept für den Smiling Kids Day«, sagte er. »Freitag, neun Uhr, Präsentation vor dem Bloomsdale-Team. Jemand vom Vorstand kommt dazu.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, diese Nachricht zu verdauen. Ich fand keine Erklärung. »Was soll denn das? Bloomsdale hat sich das Projekt angesehen. Es war alles bestens.«
    Von Hirten sah mich unfreundlich an. »Diesen Eindruck hatte ich nicht.» Er unterbrach sich und fuhr mit der Hand über sein gegeltes Haar. »Du hast sie offensichtlich nicht überzeugt.«
    Ich schluckte eine Entgegnung hinunter und sagte nur: »Also gut. Wie sind denn die Vorgaben für dieses … Sparkonzept? Wir sollten uns dringend zusammensetzen.«
    Auf seinem Schreibtisch stand eine gerahmte Fotografie. Von Hirtens Frau und seine kleine Tochter, beide blond und hübsch, in rosa-weißem Dress mit Tennisschlägern in der Hand.
    Â»O nein, das lass mal schön meine Sache sein. Darum kümmere ich mich selbst.« Er rieb sich die Augen und blickte dann mit einer theatralischen Geste um sich. »Großartig, Janne. Mein Schreibtisch ist zum Bersten voll. Ich hab in London eine große Kooperation auf den Weg gebracht. Und jetzt kann ich alles stehen und liegen lassen und mich mit dem Smiling Kids Day beschäftigen.«
    Ich war froh, auf dem Flur niemandem zu begegnen. Wenn mich jemand angesprochen hätte, wäre ich vor Wut in die Luft gegangen. Oder in Tränen ausgebrochen. Entgegen den Vorschriften schloss ich meine Bürotür. Ich dachte an Ullas düstere Prophezeiungen. »Du wirst viele Ungerechtigkeiten erleben.« Wie wahr. Doch niemand konnte mich zwingen, alles stillschweigend zu akzeptieren. Ich wollte es zumindest verstehen.
    Ich beschloss, Vanessa Ott direkt zu fragen, was den Stimmungswechsel zu meinem Projekt bewirkt hatte. Von ihr würde ich eine Antwort bekommen.
    Ich machte mich auf den Weg zu ihrem Büro, hörte ihre Stimmen durch die geschlossene Tür. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Vanessa Ott allein dort saß, aber ich wusste, dass das unwahrscheinlich war, sie waren ja meist im Doppelpack anzutreffen. Offenbar stritten sie sich. Vanessa Ott sprach abgehackt und überdeutlich wie zu einem bockigen Kind.
    Â»Wenn wir noch nicht so weit sind, dann mache ich das nicht. Ich lasse mich nicht hetzen. Auch von einem Helmut Eichstätt nicht.«
    Â»Aber wenn das Gutachten nächste Woche vorliegen soll, dann …«
    Vanessa Ott hob die Stimme. »Es kann erst vorliegen, wenn wir uns sicher sind.«
    Â»Ich bin mir sicher.«
    Â»Du denkst nur an deine Beförderung», erwiderte Vanessa Ott. »Eichstätt möchte schnell hier raus, und du willst eine Top-Beurteilung von ihm. Aber ich werde nicht zulassen, dass du eine halbgare Strategie vorlegst.«
    Ich blieb stehen, bückte mich und tat so, als müsse ich das Riemchen meiner Sandalette schließen. Ich war sichtbar für die Kollegen hinter ihren gläsernen Wänden. Hoffentlich kam niemand über den Flur spaziert oder, noch schlimmer, einer der beiden Unternehmensberater aus dem Zimmer gestürmt.
    Â»Wie immer siehst du nur die Zahlen.« Das war wieder Vanessa Ott. »Man könnte noch einiges rausholen. Die Human Resources sind nicht voll ausgeschöpft. Renn nur zu Eichstätt, am Ende werde ich ihn überzeugen.«
    Â»Was willst du denn noch? Wir haben alle Informationen. Die Abteilung ist gut aufgestellt.«
    Â»Oberflächlich gesehen ja. Aber ich will mehr wissen. Ich will …«
    Â»Vanessa, hör damit auf.« In Mark Winters Stimme schwang ein Ton mit, der mich aufmerken ließ. War das Angst?
    Â»Willst du, dass es wieder eine Katastrophe gibt?«
    Das Kratzen von Stuhlbeinen auf dem Boden war zu hören. Dann erneut Winters Stimme, viel leiser, sodass ich ihn nur noch mit

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