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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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der seit Tagen verschollen war. Man hatte schon befürchtet, dass er von Rockern umgebracht wurde. Und der ist wieder aufgetaucht. Steht jetzt im Gerichtssaal. Seine Aussage kann dem gesamten Prozess eine neue Wendung geben.«
    Â»Dann beeil dich und quatsch nicht lange rum.«
    Ulla war noch im Bademantel. Sie sah mich an. »Janne, ist das wirklich okay, wenn ich gehe? Du bist mir wichtiger als der Prozess.«
    Â»Ich rühre mich nicht vom Fleck und mache niemandem die Tür auf«, sagte ich. »Schon gar nicht der bösen Stiefmutter.« Ich versuchte ein Lächeln.
    Ulla verschwand im Schlafzimmer und zog sich an.
    Â»Sag mal, was hast du denn neuerdings gegen Miranda Glass?«, rief sie durch die geöffnete Tür.
    Â»Gar nichts. Wieso?«
    Â»Na, in deiner Küche liegen doch Dutzende zusammengeknüllte oder zerrissene Autogrammkarten von ihr. Hier, ich hab eine eingesteckt.« Sie kam zur Küchentür und reichte mir eine stark zerknickte Postkarte. Sie zeigte Miranda in einem nachtblauen Abendkleid mit glitzernden Pailletten, ein Mikro in der Hand. Es musste ein älteres Foto sein, auf dem ihre Augen noch strahlten. Quer darüber zog sich der Schriftzug ihrer schwungvollen Signatur.
    Nachdem Ulla gegangen war, kroch die Stille bis in den letzten Winkel der Wohnung. Ich trank die Kanne mit Kaffee leer und starrte auf Toms Zeitung, ohne einen einzigen Satz aufzunehmen. Ich ließ den gestrigen Abend Revue passieren. Mein Abgang aus der Bar. Gregors Lächeln, das ihr gegolten hatte. Warum war er dort gewesen. Mit ihr? Ich musste herausfinden, was dahintersteckte. Bevor ich mich immer mehr in diesem Spinnennetz aus Lügen verfing. Aber wie? Ich konnte ja schlecht Vanessa oder Gregor fragen.
    Ich hielt es nicht länger aus, still zu sitzen, räumte die Reste des Frühstücks in den Kühlschrank, spülte mit der Hand, obwohl Ulla eine Spülmaschine hatte. Dann lief ich in der Wohnung umher. Was konnte ich noch tun? Ich räumte ihren Wohnzimmertisch auf, auf dem Zeitschriften, eine halb leere Tüte Chips und zwei benutzte Weingläser standen. Ich polierte ihren Badezimmerspiegel, goss die Kräutertöpfe auf der Fensterbank. Das Bild der zerstückelten Aloe schob sich in meinen Kopf. Wer hatte eine solche Wut auf mich? Was sollte ich nur tun?
    Miranda Glass hatte in dem Kaufhaus eine ahnungslose Touristin angegriffen. Litt Miranda unter Wahnvorstellungen? Gab sie mir die Schuld an der Krise in ihrer Karriere? Aber warum? Ich kannte sie doch kaum. Genauso wenig wie Vanessa Ott. Wie waren die zerrissenen Autogrammkarten in meine Küche gekommen?
    Ich lief zurück ins Wohnzimmer, setzte mich auf das Sofa, stand gleich wieder auf. Die Stille war nicht auszuhalten. Die Aussicht, mich die nächste Stunde mit Grübeleien im Kreis zu drehen, war unerträglich. Ich rief Mirandas Agent an.
    Als er sich meldete, wurde mir bewusst, dass ich mir keinen Anlass für den Anruf ausgedacht hatte. Ich beschloss spontan, bei der Wahrheit zu bleiben.
    Â»Ich wollte mich nur kurz erkundigen, wie es Miranda inzwischen geht.«
    Â»Was glauben Sie wohl?«, fragte Ralf Siebert. »Aber sie wird sich wieder fangen, da bin ich sicher.« Er gab sich Mühe, zuversichtlich zu klingen, doch ich hörte den resignierten Ton in seiner Stimme.
    Â»Ist sie noch im Hotel de Rome?«
    Er räusperte sich. »Nein, sie … wohnt jetzt woanders.«
    Während ich noch überlegte, wie ich mehr aus ihm herausbekommen konnte, sagte er: »Frau Amelung, hat Ihr Anruf einen konkreten Grund? Wenn nicht, wüsste ich nicht, warum wir noch länger telefonieren sollten.«
    Â»Mich belastet die ganze Sache, und ich mache mir Sorgen. Sie wissen, wie gern ich Miranda unterstützt hätte. Ich habe mich ziemlich weit damit aus dem Fenster gelehnt, sie dem Vorstand zu empfehlen. Ich hätte hinter ihr gestanden, egal, was passiert wäre. Dass mein Projekt auf eine Sparversion zusammengestrichen wurde, ist nicht meine Schuld, deshalb verstehe ich nicht, dass Sie so unfreundlich sind.«
    Er seufzte. »Entschuldigen Sie. Sie haben ja recht. Seit zwei Tagen bin ich nicht mehr Mirandas Agent. Ich habe den Vertrag aufgelöst.«
    Â»Sie glauben nicht mehr daran, dass sie auf die Beine kommt?«
    Â»Ich weiß nur, dass ich ihr nicht helfen kann. Ich bin Agent. Und kein Vaterersatz. Miranda ist finanziell am Ende. Sie hat wochenlang in dem Luxushotel

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