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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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wie sie sich heftig übergab. Ich blieb im Türrahmen stehen. Der Brechreiz schien vorüberzugehen. Sie beugte sich über das Becken und erschien dann in der Badezimmertür, noch bleicher als zuvor.
    Â»Bitte, denken Sie nicht so von mir. Sie wissen ja nicht, wie das ist … Ich wünsche mir so sehr eine echte Beziehung. So eine wie Sie und Gregor sie haben. Die Sehnsucht war einfach zu stark.«
    Â»Was ist denn mit Ihrem Verlobten?«
    Â»Er existiert gar nicht. Ich habe ihn erfunden, damit Sie denken, dass ich … dass ich eine normale Frau bin, die ein erfülltes Leben hat.« Sie zitterte, als habe sie Schüttelfrost. »Gregor liebt Sie so sehr. Und Sie wissen das gar nicht zu schätzen.« Ihre Stimme wurde kälter. »Sie nehmen und nehmen. Liebe und Zuneigung. Sie werden von allen überschüttet damit und bemerken es nicht mal.«
    Sie würgte, fuhr herum zum Waschbecken und krümmte sich zusammen. Ihre Beine knickten ein, und sie fiel auf die Knie. Sie übergab sich auf den Boden, ein Schwall landete auf ihrer Bluse. In einem der Zimmer klingelte ein Telefon. Vanessa Ott schien es nicht zu hören. »Hauen Sie ab«, stieß sie hervor. »Ich brauche Sie nicht. Und das mit Gregor ist keiner Rede mehr wert. Er hat mich nur benutzt. Er hat sich an meiner Bewunderung aufgegeilt, genauso eitel und dumm wie alle Männer. Er hat mit mir geschlafen, und wenigstens ihm hat es riesigen Spaß gemacht.«
    Ich sah das verbrannte Fleisch in der Pfanne vor mir, den gedeckten Tisch, die Splitter der Vase, die zertretene Rose. Und den tiefen Kratzer im Lack des Tisches. In diesem Moment entdeckte ich das Messer. An der Klinge war Blut. Es lag auf dem Boden in der Nähe der Toilettenschüssel, nicht weit von Vanessa Ott entfernt. Als hätte sie meinen Blick bemerkt, streckte sie den Arm aus und griff danach.
    Â»Hauen Sie endlich ab«, sagte sie. »Ich will allein sein.«
    Ich starrte sie an. Für einen Moment erschien es mir einfach, zu gehen. Wie eine unglaubliche Erleichterung. Vanessa Ott war krank und unberechenbar. Ich würde die Tür zumachen, sie aus meinen Gedanken verbannen und sie vergessen. Doch ich wusste, dass das nicht möglich war. Sie hatte sich in meinem Leben eingenistet wie ein Holzwurm, sie lebte in den Schatten in meiner Wohnung, in jeder zärtlichen Geste zwischen Gregor und mir. Ich konnte mir noch so sehr wünschen, sie wäre fort, es würde nichts nützen. Sie hatte Macht über mich gewonnen, und dafür hasste ich sie.
    Nimm das Messer und stich sie ab!
    Ich schnappte nach Luft. Das war nicht ich, die das gedacht hatte. Die einem anderen Menschen den Tod gewünscht hatte, eiskalt und gefühllos. Vanessa Ott lag am Boden, verzweifelt, das Messer in der Hand. Ich war die Starke. Wenn ich ging und sie sich etwas antat, würde ich mir das nicht verzeihen können.
    Ihre Augen forschten in meinem Gesicht. Ich machte einen zögerlichen Schritt auf sie zu. Vielleicht konnte ich ihr das Messer wegnehmen. Später sollte ich mich wieder und wieder fragen, was geschehen wäre, wenn ich in diesem Moment gegangen wäre. Vielleicht wäre alles anders gekommen. Aber ich tat es nicht. Ich entschied mich, ihr aufzuhelfen. Ich konnte sie nicht da liegen lassen. Hinter der Zimmertür ging erneut das Telefon. Irgendjemand schien sie dringend erreichen zu wollen. Gab es doch jemanden in ihrem Leben, der sich um sie sorgte, der wusste, dass sie krank war, und fragen wollte, ob sie etwas brauchte? Hatte sie ihre angebliche Einsamkeit, die Sehnsucht nach einer Verbindung zu einem Menschen, genauso erfunden wie alles andere, eine weitere Masche, um mich zu manipulieren? Aber vielleicht war es auch nur die Sekretärin von Bloomsdale, die wissen wollte, wo ihre schriftliche Krankmeldung blieb.
    Als sie sah, dass ich mich näherte, begann sie zu schluchzen. Ich ging in die Hocke und nahm ihr das Messer aus der Hand. Das Blut glänzte feucht. Ich ekelte mich vor dem Anblick, mir wurde fast schlecht. Ich nahm das Messer mit zwei Fingern oben am Griff und trug es in die Küche. Wohin damit? Ich ließ es in die Spüle fallen. Dann ging ich zurück zu ihr.
    Â»Legen Sie sich irgendwohin.« Ich half ihr, auf die Beine zu kommen. Sie lehnte sich an mich, ihr Schluchzen wurde stärker. Ich versuchte, sie möglichst wenig zu berühren, ihre Nähe war fast unerträglich für mich. Ich schob sie

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