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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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gehabt, einen Arm auszustrecken, um sie zu stützen und in die Wohnung zu bringen. Jetzt nicht mehr. Ich gönnte es ihr. Es sollte ihr richtig dreckig gehen.
    Â»Ich muss mit Ihnen reden«, sagte ich kalt.
    Â»Ja. Natürlich. Kommen Sie rein.«
    Sie wankte voraus durch einen Flur, an dessen taubenblau gestrichenen Wänden sich zwei mannshohe Spiegel gegenüberhingen, einer in einem goldenen, einer in einem silbernen Rahmen. Zwischen zwei verschlossenen Zimmertüren stand eine Kommode, darauf eine Vase mit einer Orchidee aus Seide. Ich folgte ihr in eine geräumige Küche. Die Kochinsel mit Ceranfeldern in der Mitte sah unbenutzt aus. Ringsum sah ich blitzblanke Arbeitsflächen. Nichts stand oder lag hier herum, kein Geschirr, kein Topf, kein Toaster, keine Brotschneidemaschine. Einen einzigen Gegenstand entdeckte ich dennoch. Einen Holzblock für sechs Messer. Einer der Schlitze war leer.
    An die Wand geschraubt, befand sich ein halbrunder Klapptisch mit zwei zierlichen Stühlen. Darüber hing ebenfalls ein Spiegel. Vanessa Ott schwankte auf einen der beiden Stühle zu und setzte sich mit einem erleichterten Seufzer. »Möchten Sie etwas? Kaffee?«
    Ich schüttelte nur den Kopf.
    Â»Ich hab mir wohl eine Magen-Darm-Grippe eingefangen«, sagte sie. »Ich hoffe, ich stecke Sie nicht an.«
    Â»Keine Sorge.«
    Â»Sie sind sicher wegen Ihres Freundes gekommen? Sie sind wütend auf mich, das sehe ich Ihnen an.«
    Es schien sie nervös zu machen, dass ich so wortkarg war.
    Â»Sie fragen sich, woher ich ihn kenne. Was ich von ihm will.«
    Ich reagierte nicht.
    Â»Und vor allem, ob ich mit ihm ins Bett gehe.«
    Meine Augenlider zuckten, ohne dass ich es verhindern konnte. Sie hatte meine Reaktion gesehen. »Sie Ärmste. So viele Fragen. Und keine Antworten.«
    Sie stand auf, nahm aus einem Schrank ein Glas und füllte es mit Wasser aus dem Hahn.
    Â»Erstaunt Sie das?«, fragte ich in ihren Rücken. »Sollte mir das alles gleichgültig sein? So gleichgültig wie Ihnen die Männer, mit denen Sie was anfangen?«
    Sie wandte sich nicht um.
    Â»Und nicht nur die sind Ihnen egal. Auch alle anderen, mit denen Sie zu tun haben.«
    Â»Nein … Sie haben keine Ahnung.«
    Als sie sich umdrehte, erkannte ich, dass ich sie verletzt hatte.
    Â»Sie zum Beispiel waren mir nicht egal. Ich war immer auf Ihrer Seite. Ich habe mich für Sie eingesetzt. Fragen Sie Mark Winter.« Sie holte Luft. »Die Sache mit Gregor tut mir so unendlich leid. Sie hatten mir erzählt, dass er Möbel restauriert, und zuerst wollte ich diesen alten Tisch gar nicht mehr aufpolieren lassen. Aber dann dachte ich, warum ihn nicht mal einem Experten zeigen? Wegschmeißen kann ich ihn immer noch. Ich habe ihn zu Gregor gebracht, und er hat mir die Augen geöffnet, was für ein wertvolles, wunderschönes Möbel ich da besitze. Dass es sich lohnt, daran zu arbeiten.«
    Seinen Namen aus ihrem Mund zu hören, war wie eine Ohrfeige. Ich konnte mir ausmalen, wie diese erste Begegnung abgelaufen war. Wenn Gregor ins Schwärmen geriet, wirkte seine Begeisterung ansteckend. Er hatte ihr restaurierte Tische gezeigt, verschiedene Lackierungen, alte und edle Hölzer, er war in seinem Element gewesen. Sie hatte die Lösungsmittel gerochen, das Holz und den Staub und, wenn sie neben ihm gestanden hatte, auch Gregors Körper und den Moschusduft seines Haars.
    Â»Und dann sind Sie in Verzückung über seine Intarsien-Sitzgruppe geraten, haben ihm viertausend Euro versprochen und ihm ein Lügenmärchen von einem tollen Job in einem Expertenteam erzählt.«
    Sie legte eine Hand über ihren Mund, und ich erkannte, dass ihre Augen voller Tränen standen. »Ich kann Ihre Wut so gut verstehen«, presste sie zwischen den Fingern hervor. »Es ist unverzeihlich. Es hätte nie passieren dürfen.«
    Â»Was? Was hätte nie passieren dürfen?«
    Â»Ich habe mich in ihn verliebt.«
    Ich schrie fast vor Wut. »Das ist gelogen. Sie haben sich in die Idee verliebt, ihn mir wegzunehmen.«
    Sie war mit zwei Schritten bei mir, stürzte fast auf mich. »Nein! Nein, das dürfen Sie nicht denken. Ich … oh, Mist!« Sie lief aus der Küche.
    Ich stand auf. Sie war in einem Badezimmer verschwunden, durch den Spalt in der Tür sah ich einen Spiegel, der die gekachelte Wand fast verdeckte, darunter ein Waschbecken. Ich hörte,

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