Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
finden wir, dass man Frauen heutzutage einfach mehr fördern sollte.«
Mit anderen Worten: Macro Solutions setzte seine Fraueninitiative nicht in einen größeren Bezugsrahmen, sondern betrachtete sie als isolierte Bemühung, deren Wert sowohl naheliegend als auch eindeutig begrenzt war. Die Firma wollte einfach nur attraktiver für Frauen werden und weibliche Mitarbeiterinnen halten. Und das war es dann auch schon. Dagegen ist so weit auch nichts einzuwenden, aber indem das Unternehmen es versäumte, sein Ziel in einen größeren strategischen Zusammenhang einzubetten, signalisierte es, dass es seine Strukturen eigentlich nicht verändert wollte. Man wollte mehr Frauen in Führungspositionen sehen, mehr weibliche Gesichter am Konferenztisch sitzen haben, aber man wollte nicht, dass diese Frauen das
Was
oder das
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bestehender Geschäftsprozesse veränderten. Macro Solutions wollte sich das Talent der Frauen unbedingt zunutze machen, aber man hatte nicht den Wunsch, die Macht weiblicher Visionen zum Vorteil der Firma zu nutzen.
|40| Eine solche Trennung von Talent und Vision ist eine Manifestation des einseitigen, produktionsorientierten Ansatzes, wie er im industriellen Zeitalter üblich war. In unserer wissensorientierten Wirtschaft (und Macro Solutions ist nichts anderes als ein auf Wissen basierendes Unternehmen), begründet der Wert einer Organisation sich in den Fähigkeiten der Mitarbeiter und in ihren innovativen Ideen. Mit anderen Worten: Talent und Strategie sind heutzutage unauflöslich miteinander verbunden. Aber indem Macro Solutions das Thema Frauen in Führungspositionen als reines Frauenproblem abtat, statt anzuerkennen, dass hier die Führungsebene im Allgemeinen betroffen ist, ignorierte es diese Verbindung. Dadurch beraubte das Unternehmen sich selbst einer wichtigen Ressource, um jenen systemischen Wandel zu vollziehen, der notwendig ist, um in einer diversifizierteren und integrativeren Geschäftswelt an der Spitze zu bleiben.
Talentinitiativen, denen der strategische Kontext fehlt, sind stets anfällig für das Auf und Ab der Konjunktur. Sie gehören zu den ersten Programmen, die in schwierigen Zeiten wieder gestrichen werden, denn man betrachtet sie nicht als wesentlich für das übergeordnete Unternehmensziel, genauso wenig wie für die Grundwerte der Firma. Durch die Trennung von Talent und Strategie versenden Unternehmen wie Macro Solutions unbeabsichtigt die Botschaft, dass ihre Fraueninitiativen ein zyklisches und kein fundamentales Anliegen sind. Bei jenen Mitarbeitern, die Veränderungen ohnehin ablehnen, verstärkt das die Überzeugung, dass die Konzentration der Firma auf Frauen ohnehin nicht mehr ist als eine kurzlebige Modeerscheinung.
|41| Wenn Frauen kündigen
Das Dilemma, mit dem Macro Solutions sich konfrontiert sieht, verdeutlicht ein Problem, das sich seit Mitte der Neunzigerjahre Bahn bricht. Immer mehr Frauen sind berufstätig; auf manchen Gebieten stellen sie mehr als 50 Prozent der Belegschaft. 2 Doch vielen Firmen gelingt es nicht, ihre Mitarbeiterinnen auch dauerhaft an sich zu binden.
Die Abwanderung weiblicher Arbeitskräfte stellt für Manager und Führungskräfte mittlerweile ein großes Problem dar. 3 Wenn Frauen in der Belegschaft zwar zahlreich vertreten sind, es aber nicht bis an die Spitze schaffen, lassen sich Mitarbeiterinnen in weniger gehobenen Positionen im Hinblick auf ihre Aufstiegschancen in der Firma schnell entmutigen. Der Mangel an Frauen in Führungspositionen verstärkt auch den Eindruck, dass die Firma von einem Alt-Herren-Netzwerk geleitet wird. Das wiederum sorgt für ein negatives Bild bei weiblichen Kunden und Klienten, die mittlerweile immer intensiver darauf achten, Geschäfte nur mit frauenfreundlichen Unternehmen abzuwickeln. Aus all diesen Gründen neigen Firmen, die ihre Top-Frauen nicht halten können, dazu, in einen sich selbst verstärkenden Teufelskreis zu geraten: Frauen kündigen, wodurch noch mehr Frauen über Kündigung nachdenken.
Das war ursprünglich ganz anders gedacht. Bis Mitte der Neunzigerjahre waren die Erwartungen der Frauen, es bis in die oberste Führungsebene zu schaffen, sehr hoch. Sie eroberten sämtliche Branchen und stürmten die Hochschulen. In Bezug auf Ausbildung und Leistung begannen |42| sie bald, die Männer zu überflügeln, und zwar auf fast allen Fachgebieten außer dem Ingenieurwesen. Auch machten sich mehr Frauen als Männer selbstständig. Dieser demografische Trend setzte die Unternehmen unter
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