Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
höher wurden. In den Neunzigerjahren boomte die Weltwirtschaft und das Kapital, das für Firmenfusionen und Neukäufe zur Verfügung stand, wurde immer größer. Deshalb gerieten die Firmen unter immer stärkeren Druck, mit weniger Ressourcen mehr zu leisten und verlangten von ihrer Belegschaft, härter und länger zu arbeiten. Die darauffolgende konjunkturelle |45| Krise des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend steigerte den Druck nur noch mehr.
Die neuen Technologien ermöglichten es den Menschen, immer und überall zu arbeiten, sodass bald erwartet wurde, dass sie rund um die Uhr im Einsatz waren. Die Schutzbarrieren zwischen Arbeit und Heim, die noch aus dem Zeitalter der Industrialisierung stammten, wurden langsam abgetragen. So musste man zu Beginn der Neunzigerjahre in den meisten wirklich guten Stellungen etwa fünfzig Stunden die Woche arbeiten. Ständige Dienstreisen waren nur für Außendienstler an der Tagesordnung und von niemandem wurde eine Geschäftsreise erwartet, wenn sein Sohn gerade ein wichtiges Fußballspiel hatte. Die Arbeit griff immer stärker ins Privatleben ein, sodass viele von denen, die eigentlich auf Erfolgskurs waren, ihre Ambitionen noch einmal überdachten.
Der Aussteiger-Trugschluss
Die Medien unterstellen Frauen, die ihr Unternehmen verlassen oder Führungspositionen ablehnen, häufig, dass sie eigentlich nur von dem simplen Bedürfnis angetrieben werden, zu Hause zu bleiben. Eine heiß diskutierte Titelgeschichte, die im Jahre 2006 im
New York Times Magazine
erschien, verkündete den Beginn der »Aussteiger-Revolution« und beschrieb Ivy-League-Frauen, die lieber Tennis spielten und die Verabredungen der Kinder koordinierten, als im Geschäftsleben zu ackern. 8 Das
Fortune Magazine
|46| schreibt schon seit längerem über weibliche Führungskräfte, die »das Hamsterrad verlassen« haben, also vielversprechende Karrieren aufgaben, um ihre Energie der Vollzeitsorge um ihre Familie zu widmen. 9 In Fernsehtalkshows diskutieren immer wieder stockkonservative Experten, die das weibliche Ausscheiden aus Toppositionen als Beweis anführen, dass Frauen doch lieber von vornherein zu Hause bei ihren Kindern hätten bleiben sollen, mit Menschen, die abstreiten, dass Frauen entmutigt sind oder sich damit zufriedengeben, die männlichen Machtstrukturen nur anzuprangern statt sie aufzubrechen.
Aber demografische Studien liefern uns ein deutlich nuancenreicheres Bild. Zunächst einmal verlassen Frauen, die sich aus einem besonders anspruchsvollen beruflichen Umfeld zurückziehen, das Arbeitsleben nur selten vollständig. Statt völlig auszuscheiden, beschließen gebildete und talentierte Frauen meist, eine andere Art von Arbeit zu verrichten. Also suchen sie sich einen neuen Arbeitgeber oder gründen ihr eigenes Unternehmen.
Demzufolge verfolgt der berufliche Werdegang von Frauen eher ein Spiralmuster als eine klar verlaufende, gerade Linie. Das Bild, das die Medien von den »Hausfrauen und Müttern« vermitteln, die in einem ganz anderen Universum leben und andere Sorgen haben als einseitig ausgerichtete Karrierefrauen, liefert ein vollkommen falsches Bild von der viel komplexeren und sich wandelnden Realität. Selbst Frauen, die
tatsächlich
in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder zu Hause bleiben, arbeiten nach einigen Jahren wieder ganztags.
So dokumentierte beispielsweise Myra Hart von der Harvard Business School einen starken Trend unter weiblichen |47| MBAs: Sie verlassen ihre Unternehmen oder Partnergesellschaften, um auf dem sozialen oder Nonprofit-Sektor zu arbeiten. 10 Dabei nahmen diese Frauen häufig beträchtliche finanzielle Einbußen in Kauf. Die Frauen aus Harts Studie gaben an, von dem Wunsch getrieben worden zu sein, einen wertvolleren Beitrag zur Welt zu leisten. Außerdem waren sie der Überzeugung, dass sie durch alternative Formen der Arbeit eher im Einklang mit sich selbst leben konnten.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Wanda Wallace, eine Forscherin an der University of North Carolina. Sie untersuchte Frauen in leitenden Positionen, die entweder bereits gekündigt hatten oder eine Kündigung in Erwägung zogen. 11 Sie stellte fest, dass diese Frauen vornehmlich von folgenden Faktoren motiviert wurden: Unzufriedenheit mit der Richtung, die ihr Unternehmen eingeschlagen hatte, eine negative Veränderung in der Organisation oder der Unternehmenskultur, die Überzeugung, dass ihre Beiträge nicht geschätzt wurden, der Wunsch, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft
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