Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
Deshalb ist es nicht mehr effektiv, sich auf die üblichen |21| Verdächtigen zu verlassen, damit sie die üblichen Aufgaben auf übliche Weise erledigen. Wenn Firmen die Fülle und Bandbreite dessen, was Frauen zu bieten haben, nicht nutzen, mindern sie ihre Fähigkeit, »um die Ecke zu denken« – eine häufig zitierte Zielvorgabe –, denn die Scheuklappen, die sie ihren Mitarbeitern anlegen, nehmen ihnen jegliche Perspektive.
In der Praxis haben wir das alle schon erlebt. Die Konsequenzen sind oft weitreichend – was wir später noch genauer untersuchen werden – machen sich aber auch im Kleinen, auf zwischenmenschlicher Ebene bemerkbar.
Betrachten wir beispielsweise Jim und Jill. Sie kommen gerade aus einem Verkaufsmeeting, auf dem der Abteilungsleiter sie über die Umsatzzahlen ins Bild gesetzt hat, die er im kommenden Quartal von seinem Team erwartet. Auf dem Flur sagt Jim, der während der Präsentation sämtliche Zahlen mitgeschrieben hat: »Ich glaube, es ist machbar, wenn wir Kunde X dazu bewegen können, sein Budget um sechs Prozent zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten um 3,2 Millionen Dollar verringern.«
Jill nickt. »Das klingt einleuchtend. Aber ist dir eigentlich aufgefallen, wie deprimiert Ron wirkte, der ganz hinten saß? Normalerweise ist er doch immer sehr aufgeschlossen und engagiert.«
Jim antwortet nicht. Er fragt sich, warum Jill diesen vollkommen unwichtigen Kommentar gemacht hat. Sie sollte sich lieber Gedanken darüber machen, wie sie ihre Zielvorgaben erreichen können, statt sich darüber Sorgen zu machen, was jemand anders empfindet. Außerdem hat Jim Ron gar keine Beachtung geschenkt. Zum einen hat er am |22| Hinterkopf schließlich keine Augen. Zum anderen musste er sich voll und ganz auf die Präsentation konzentrieren, denn genau das erwartete der Abteilungsleiter schließlich von ihm.
Jill hatte ebenfalls aufmerksam zugehört, aber nicht ganz so ausschließlich wie Jim. So fiel ihr beispielsweise auf, dass einer der Anwesenden nicht verstehen konnte, was der Abteilungsleiter sagte – was keineswegs überraschend war, da dieser die Angewohnheit hatte, viel zu schnell zu sprechen und dann gereizt zu reagieren, wenn jemand ihn bat, seine Anmerkungen noch einmal zu wiederholen. Am meisten fesselte jedoch Rons Desinteresse ihre Aufmerksamkeit. Er war für den Erfolg ihres Teams von entscheidender Bedeutung, und sie wusste, dass es für alle Beteiligten kein Zuckerschlecken werden würde, wenn er Probleme hatte.
Doch jetzt auf dem Flur ist Jill klar, dass Jim dieses Thema nicht weiter verfolgen will. Sie bezweifelt, ihm plausibel erklären zu können, dass sie der Präsentation durchaus konzentriert lauschen konnte, auch wenn sie noch jede Menge anderer Informationen nebenher aufnahm. Sie will ihm eindeutig signalisieren, dass sie mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Also sagt sie einfach nur: »Ich glaube, du hast mit deinen Berechnungen ins Schwarze getroffen.«
Dieses kurze Gespräch repräsentiert eine fundamentale Dynamik, die am Arbeitsplatz täglich tausende von Malen auftritt. Sowohl Jim als auch Jill steuern nützliche Informationen bei: Jim, indem er die spezifischen Fakten zusammenträgt, die das Team nach vorn bringen könnten, Jill, indem sie ein potenzielles Problem bemerkt, das die Effizienz des Teams unterminieren könnte. Sowohl Jims |23| Konzentration als auch Jills sensible Antennen sind für ihr Verkaufsteam von Vorteil.
Doch Jim kann den Wert von Jills Kommentar nicht erkennen und Jill ist ihrerseits nicht in der Lage, ihre Beobachtungen so zu formulieren, dass sie damit Jims Interesse weckt. Als sie seine Skepsis spürt, macht sie einen Rückzieher statt ihm beharrlich weitere Argumente vorzutragen. Sie versucht nicht länger, ihm ihre Wahrnehmung verständlich zu machen, sondern will ihn stattdessen besänftigen. Dadurch entgehen dem Team möglicherweise entscheidende Informationen. Jill ignoriert ihre Erkenntnisse und unterminiert ihren Wert für das Gesamtprojekt letztlich selbst.
Zu derlei Vorfällen kommt es deshalb, weil das, was Jill wahrnimmt, was sie für wesentlich hält und ihr Idealbild von ihrer Firma – also die einzelnen Bestandteile ihrer Vision – in hohem Maße der Unternehmenskultur widersprechen. Sicher, ihre Vorgesetzten sprechen häufig darüber, dass »unsere Leute unser wichtigster Aktivposten sind«. Diesen Satz ließen sie sogar als »Firmenvision« auf eine laminierte Karte drucken. Trotzdem handelt es sich nicht um ihre
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