Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
vortäuschen. Menschen erkennen sie, wenn sie sie sehen. Sie spüren ebenfalls sehr intensiv, wenn Empathie fehlt, und zwar auf einer sehr subjektiven und intuitiven Ebene.
Weil die Ehe eines der grundlegendsten menschlichen Systeme des Zusammenlebens ist, lassen sich Beobachtungen, wie Paare miteinander umgehen auch auf andere Beziehungen übertragen. Und das hat wiederum eine besondere Bedeutung für Unternehmen. Von Empathie können insbesondere solche Firmen konkret profitieren, die Erkenntnisse über ihre Kunden zu ihrem Vorteil nutzen, den Wettbewerb durchschauen, effektivere Verkaufsmethoden entwickeln und die Fähigkeiten ihres Talententwicklungsteams steigern wollen.
Da die Empathie aus einem intuitiven Verständnis erwächst für das, was andere empfinden und für die Art und Weise, wie das eigene Verhalten andere beeinflusst, hat sie |169| weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung effektiver Führungspersönlichkeiten. Die Studie des Center for Creative Leadership, die wir in Kapitel 7 vorstellten, fand heraus, dass Empathie bei Selbstbewusstheit besonders gut gedeiht. Ein empathischer Mensch weiß nicht nur, was sein Gegenüber fühlt, sondern auch, inwiefern diese Erfahrung ihn selbst beeinflusst.
Empathie ist zudem auch eine wesentliche Fähigkeit bei der Leitung einer verschiedenartigen Belegschaft. So hatte eine von Julies Klientinnen ihren Job als Bereichsleiterin in einem großen New Yorker Verlag aufgegeben und arbeitete nun für eine Online-Firma an der Westküste, die eine ebenso schnelle wie jugendbetonte Firmenkultur hatte. Am Anfang fiel es ihr schwer, herauszufinden, wie sie ihr Verkaufsteam motivieren konnte und sie wechselte zwischen zu strengem und zu freundlichem Verhalten hin und her. Sie hatte schwer zu kämpfen, bis sie schließlich erkannte, welche Rolle ihre eigenen Reaktionen im Hin und Her mit den jüngeren Mitarbeitern spielte. In dem Versuch, sie zu beeinflussen, war sie einfach nicht authentisch. Sie musste zuerst einmal anerkennen, wie sie sich fühlte und das mit ihren Beobachtungen abgleichen; als sie diese empathische Beziehung einmal hergestellt hatte, konnte sie ihr Team inspirieren.
Ein empathischer Beobachter demonstriert nicht nur Einfühlungsvermögen, sondern auch Stärke, denn bewusst erkennt er den Schmerz und die Verwirrung seiner Mitmenschen an, statt diese unbequemen Gefühle aus seinem Bewusstsein auszublenden. Empathie erfordert Mut und emotionale Stärke. Wie die Professorin für Führungskräfteentwicklung, |170| Katherine Belle, es in der
Washington Post
formulierte: »Empathie mit Ihrem Team, ihrem Vorgesetzten und Ihren Kollegen macht Sie nicht zum Schwächling, sondern mächtiger.« 7 Dies ist der Grund, warum Bell zufolge Empathie eine entscheidende Managementfähigkeit geworden ist. Hierzu sagt sie: »Wenn man sich den Standpunkt des anderen vorstellen kann, egal, was man darüber denkt, kann man den anderen effektiver beeinflussen.«
Lieutenant General William Pagonis, der Leiter des hochgelobten Logistikkommandos während des Ersten Golfkrieges teilt diese Ansicht. Sein Kommentar im Harvard Business Review lautet wie folgt: »Die erste Grundvoraussetzung für Führungsqualität besteht in der Fähigkeit, sich die Fakten einzugestehen. Es gibt Millionen von Technokraten mit jeder Menge Fakten im Köcher, aber keinerlei Führungspotenzial. In vielen Fällen fehlt ihnen die Empathie. Jemand, der nicht in der Lage ist, sich in den anderen hineinzuversetzen, ist nun einmal keine Führungspersönlichkeit.« 8
Der Business Consultant Dev Patnaik glaubt, dass empathische Menschen, »darauf programmiert sind, sich um andere zu kümmern«. 9 Patnaik verbindet Empathie ausdrücklich mit Intuition und verweist darauf, dass das, was Menschen in Unternehmen erleben, häufig ihre Fähigkeit zu beidem untergräbt. Wir glauben, dass eine empathische Unternehmensstruktur ein effektives Mittel sein kann, nicht nur zur Verbesserung der Beziehung zu den Kunden oder zur Förderung von Kreativität, sondern auch, um Frauen ans Unternehmen zu binden.
Wie können Firmen Empathie unterstützen? Sie können anfangen, indem sie sie als essenzielle Führungsqualität in |171| die Leistungsbeurteilungen integrieren. Julies Erfahrung legt nahe, dass Führungspersönlichkeiten häufig Schwierigkeiten haben, den Mitarbeitern in ihrer Abteilung, ihren Teams und Gruppen vernünftiges Feedback zu geben, und zwar teilweise deshalb, weil sie keinen Zugang zu ihren eigenen
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