Die beste Lage: Roman (German Edition)
hätte er sich in seinem Leben nie in einem anderen Milieu bewegt, ein Bekannter von dir ist, und selbst wenn du höchstens einmal ein paar Worte mit ihm gewechselt hast, erzählst du deinen Sprösslingen, dass ihr dicke Freunde wart, ja, dass er es war, der an deinen Lippen hing, und dass er deswegen der geworden ist, der er heute ist. Wobei er als Junge, ehrlich gesagt – und hier kommt nun der Spott ins Spiel –, ein richtiger Blödmann war, einer, von dem du dir nie hättest vorstellen können, dass er dorthin gelangen würde, wo er heute ist, und dass du nicht der Einzige warst, der so dachte, denn alle haben sich über ihn lustig gemacht, und die Mädels haben ihn regelrecht verachtet – dieselben, die sich jetzt deinen Kindern gegenüber damit brüsten, dass er ihnen einmal den Hof gemacht hat, während sie, seine Ex-Freundinnen – und wenn sie das sagen, schauen sie ihre Göttergatten mit einer Miene irgendwo zwischen Stolz und Bedauern an –, den Papà vorgezogen haben, den die Kinder nun wiederum beobachten, ihren Papà in seinem üblichen abgetragenen, ausgeleierten Pulli über dem sich vorwölbenden Bauch, wie er da mit seinen schäbigen Pantoffeln vor dem Fernseher hockt, wo soeben in seiner ganzen blendenden Topform der verschmähte Verehrer erschienen ist, umgeben von Berühmtheiten aller Art, und wenn sie ausreichend zynisch sind – und in der Regel sind Kinder das –, denken sie: Du dumme Kuh!, und malen sich offensichtlich aus, wie ihr Leben hätte aussehen können, wenn ihre Erzeugerinnen statt diesen furzenden Fettsack, den sie tatsächlich geheiratet haben, den Typen gewählt hätten, der in dem Provinzstädtchen gestartet war und dann eine Bilderbuchlandung hingelegt hat. Und dieser Typ war im Fall der Kleinstadt Potenza eben Graziantonio Dell’Arco, den genau aus diesem Grund auch Riccardo nicht vergessen hatte.
Wie hätte er ihn vergessen können?
Tatsächlich sagte er jetzt: »Graziantonio Dell’Arco? Du meinst den Doofi? Nein, hör auf!«
»Doch, genau, der Doofi höchstpersönlich!«
»Und was macht so einer wie der in Indien?«
»Statt Indien musst du Bangalore, Karnataka, sagen, oder auch das neue Silicon Valley. Sonst verstehst du den Zusammenhang nicht. Die größten und billigsten Fachleute für Informatik sind dort, und die werden sogar von Amerika aus umworben. Das hast du nicht gewusst? Ich auch nicht … Stell dir vor, er war seit Monaten da, und ich hatte es nicht einmal mitgekriegt. Aber wir sind eben Künstler, Riccà, Intellektuelle. Für uns wird Indien immer die Wiege der Gurus, der Kundalini-Meditation, der Sitars und der Joints sein … Graziantonio, nein, der hat für bestimmte Sachen einfach einen Riecher! Nicht umsonst schwimmt er im Geld. Und da stürzt er sich also wie ein Falke auf Karnataka, und nachdem er im neuen Silicon Valley seine Geschäfte abgeschlossen hat, dreht er seine Shoppingrunden und landet ausgerechnet in meinem Laden, und zwar mit einem Paar Bohnenstangen wie den beiden, die ich mit mir herumführe … Also, wird’s bald ?«, rief er lachend ins andere Zimmer hinüber. »Ist der Tee jetzt fertig oder nicht?« Dann wandte er sich scheinheilig an seinen Freund: »Ab und zu muss man eben die Stimme ein bisschen erheben … Also, zurück zu Graziantonio. Kaum sieht er mich, bleibt er stehen. Ich denke, jetzt tut der so, als würde er mich nicht kennen, und macht auf dem Absatz kehrt. So verhalten sich typischerweise Leute, die Erfolg haben. Außerdem gibt es zwischen uns ja nicht gerade positive Schwingungen.«
›Positive Schwingungen?‹, dachte Riccardo Fusco. Dieser Typ redet immer noch von positiven Schwingungen!
»Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber ich bin es schließlich gewesen, der ihm diesen Spitznamen verpasst hat, obwohl Doofi doch eigentlich ganz nett ist, oder? Und ich habe immer vermutet, dass er das auch weiß. Jedenfalls grinst mich der Doofi nach einem Moment der Unsicherheit von einem Ohr zum anderen an, ja, er umarmt mich sogar! Und wie geht’s dir, und seit wann, und wer hätte das gedacht, ausgerechnet hier, und du hast dich überhaupt nicht verändert. Er dagegen hat sich wirklich verändert … Er scheint regelrecht zu strahlen, hat eine glatte Haut und kein einziges graues Haar. Bestimmt gefärbt, aber der Mensch, der ihm das macht, versteht sein Handwerk. Keine Spur von diesem fiesen Kupferschimmer. Dann schaut er sich um, und: Was für schöne Sachen du hast, man sieht das Auge des Künstlers. Kurzum,
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