Die beste Welt: Roman (German Edition)
wie geht es jetzt weiter?«, fragte ich, nachdem man mir die ausführliche Erklärung zwei- oder dreimal wiederholt hatte.
»Der Ratsherr wird versuchen, den Schaden zu beheben, sobald Sie heute Nacht in den REM -Schlaf fallen«, sagt Nasiha. Allmählich kehrte etwas von der gewohnten energischen Zuversicht in ihre Stimme zurück. »Er wird auf die Erinnerungen in Ihrem hippocampalen Gyrus zugreifen und die Freisetzung von Neurotransmittern so beeinflussen, dass die Speicherung wieder auf die übliche Weise erfolgt.«
Ich sah Qeturah fragend an, aber sie schüttelte nur hilflos den Kopf. »Von Telepathie verstehe ich gar nichts, Grace. Sie werden Dllenahkh vertrauen müssen.«
»Das versteht sich von selbst«, sagte ich unbekümmert.
Es war eine Kleinigkeit, doch bei diesen Worten warf Tarik Nasiha einen kurzen scharfen Blick zu, bevor er sich wieder hinter der Maske der Korrektheit verschanzte.
Da es nur eine Behandlungsliege gab und der Platz beschränkt war, stellte man ein zusätzliches Feldbett ins Shuttle und spickte uns über und über mit Sensoren, um das ungewöhnliche Ereignis aufzuzeichnen. Dann wurden die Umweltkontrollsysteme eingeschaltet und die Tür geschlossen. Solange Dllenahkh auf dem Feldbett saß und sich letzte Notizen machte, verbreitete sein Terminal noch einen schwachen Schein. Als er es schließlich ausschaltete, wurde es vollends dunkel. Ich hörte das Feldbett leise knarren, als er sich hinlegte.
»Wollen Sie die ganze Nacht wach bleiben?«, flüsterte ich.
»Wenn nötig, ja«, kam ebenso leise die Antwort.
»Könnte sein, dass ich schnarche«, warnte ich ihn nach kurzer Pause.
»Ich werde versuchen, nicht hinzuhören«, gab er belustigt zurück.
»Stimmt zwischen Nasiha und Tarik etwas nicht?« Meine Frage war eigentlich indiskret, allerdings kam sie im weinerlichen Ton eines Kindes heraus, das nicht versteht, warum Mama und Papa sich streiten.
»Tarik sucht in einer gewissen Angelegenheit nach dem richtigen Weg. Nasiha macht sich Sorgen um ihn. Sie werden es schon schaffen, Grace.«
Nun trat eine sehr lange Pause ein. Die Stille dröhnte überlaut in meinen allzu wachen Ohren.
»Wollen Sie mir nun etwas zum Thema Küssen sagen oder nicht?«
Er atmete hörbar aus. »Dass Sie das vergessen würden, war wohl nicht zu erwarten. Das Küssen ist bei den Sadiri nicht üblich. Wir finden es … unhygienisch. Andererseits kreisen so viele romantische Vorstellungen der Terraner gerade um diese Praxis, dass bisweilen sogar potenzielle Partner allein wegen ungenügender Leistungen auf diesem Gebiet abgewiesen werden.«
»Es ist tatsächlich nicht sehr hygienisch«, räumte ich ein, »aber Sie müssen wissen, dass es verschiedene Formen gibt, vom Kuss auf die Wange bis zum ausgewachsenen Zungenkuss mit Lippenbiss. Viele terranische Kulturen können den extremen Versionen nichts abgewinnen.«
»Wo stehen Sie in diesem Präferenzspektrum?«
Bei der Frage stockte ich innerlich und war froh, dass Dllenahkh die Verbindung zu mir noch nicht aufgebaut hatte: Er will wissen, wie ich geküsst werden möchte! Dann riss ich mich zusammen: »Gemessen an den Maßstäben von Städtern bin ich wahrscheinlich eher zahm. Ich ziehe ein Verfahren ohne Austausch von Körperflüssigkeiten vor, allenfalls mit einem Minimum an Feuchtigkeit.« Ich war sehr stolz auf meine klinische Formulierung. »Hm … gibt es in Ihrer Kultur eine Alternative zum Kuss?«
Ich hörte, wie er sich aufsetzte, und spürte, wie er meine rechte Hand ergriff. Er bog mir sanft die Finger auseinander und drehte die Handfläche zu sich hin. Ich wollte sagen: »Ach ja, das habe ich schon bei Nasiha und Tarik gesehen.« Aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken.
Zuerst legte er nur seine Fingerspitzen auf die meinen, und das fand ich sehr angenehm. Dann strich er leicht über die Finger, ganz langsam, und ich spürte an der Vorderseite der Hand ein leises Summen und auf dem Handrücken ein warmes Kribbeln. Endlich legte er die ganze Handfläche gegen die meine.
»Ohhhh!«, rief ich entzückt. Ich hatte verstanden.
Es war wie ein warmes, goldenes Licht – nicht das gedämpfte Gold des Spätnachmittags, sondern schärfer, metallischer, als würde elektrischer Strom über die Nerven meiner Hand direkt in mein Gehirn und durch meinen Körper geleitet. Ein leises Plätschern wie übermütiges Lachen, ein getragenes Aufwallen wie ein tiefer, zufriedener Seufzer, und schließlich ein wohltuendes Auf und Ab wie auf einer
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