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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Lord
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Ich erinnerte mich an seinen stummen Groll und begriff endlich, dass sogar ein Sadiri, besonders ein Sadiri außer sich sein konnte vor Angst um das Wohlergehen seiner Frau und seines ungeborenen Kindes. Die Angst fühlte sich an wie ein Sturz …
    … ein Sturz durch die Dunkelheit … ein Sturz ohne Ende …
    … denn es gab nichts, wo man je ankommen würde. Das Weltall kannte keine Schwerkraft, keinen festen Boden. Man trudelte hoffnungslos durch das Nichts und spürte allein diese schreckliche Angst.
    Was das Leben beginnt, muss der Tod beenden …
    … aber ein Sterben von solchem Ausmaß besaß eine ganz eigene Anziehungskraft, man konnte sich nicht wehren gegen dieses offene Grab, das Millionen – Freunde, Fremde, Feinde, Geliebte – aus dem Dasein gerissen und den alltäglichen Verlust in eine absolute Katastrophe verwandelt hatte.
    Er stürzte dieser Katastrophe entgegen, und ich schaffte es gerade noch, ihn am Arm zu packen und zurückzuhalten. Ich zog ihn zu Boden und richtete ihn auf, sodass er den riesigen Silbermond sehen konnte, der über den Horizont stieg. Mit meiner Fingerspitze berührte ich seinen Zeigefinger, und mit einem Mal waren wir in ein sanftes goldenes Licht getaucht. Sanft legte ich meine Hand auf sein Herz und flüsterte im Namen all jener, die keine Stimme mehr hatten, die berühmten zeitlosen Worte.
    Ich erwachte, als die Shuttletür geöffnet wurde und das Licht ins Innere fiel. Die anderen schlichen auf Zehenspitzen herein.
    Pst, machte ich und zeigte mit einer Hand auf das Feldbett.
    Er hielt meine andere Hand lose umfasst, und seine Brust hob und senkte sich leicht. Dllenahkh war eingeschlafen.

13
    TOTENGEDENKEN
    Etwas hatte sich verändert. Es war verrückt. Wir hatten im Dunkeln Seite an Seite gelegen, uns an den Händen gehalten und uns im Geiste berührt, und etwas von dieser Intimität war noch vorhanden, wenn wir miteinander redeten oder gemeinsam schwiegen, aber es war mir immer noch nicht möglich, ihn offen nach seinem Albtraum zu fragen. Natürlich verbrachten wir viel Zeit mit rein beruflichen Dingen, aber ich war mir einfach nicht sicher, ob ich schon das Recht dazu hatte. Stattdessen verschlang ich gierig alles, was ich über das alte Sadira, Neu-Sadira und die Katastrophe finden konnte. Es ging mir nicht mehr um Anerkennung, stattdessen trieb mich ein unstillbarer Wissensdurst an.
    Meine neue heimliche Obsession war nicht beruflicher, sondern privater Natur. Während unserer engen Verbindung hatte ich mich durch Dllenahkhs Augen gesehen. Das war befremdlich, ja, unheimlich gewesen. Seither stellte ich mir immer wieder die Frage, wie mich der durchschnittliche Sadiri sehen würde. Bei den Besuchen in der Kolonie war mir das noch ziemlich gleichgültig gewesen. Aber für den höflichen Umgang im beruflichen Umfeld konnten nicht die gleichen Maßstäbe gelten wie für … Freundschaft. Das Küssen war dabei eher nebensächlich. Ich bin nicht Gilda; ich wollte nicht experimentieren, ich wollte das Richtige tun und hatte keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Ich stellte mich mit einem Kajalstift in der Hand vor den Spiegel, hielt inne und geriet ins Grübeln. Sonst war alles wie immer. Ich trug einen langen schwarzen Rock und eine ärmellose weiße Tunika mit Gürtel. Das Gewandtuch blieb auf dem Bett in meinem Hotelzimmer zurück. Heute Abend wollte ich ohne Kopfbedeckung gehen, um mich nach knapp vier Wochen ohne Haarschnitt an die störrische daumenlange Krause zu gewöhnen. Ein Stirnband zog die Locken straff nach hinten und sorgte für etwas Eleganz. Ich sah gut aus. Man würde mich nicht aus dem Konzertsaal weisen.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte. Lian betrat unser gemeinsames Bad und stellte sofort den Zusammenhang zwischen meinem leicht schuldbewussten Blick und dem Kajalstift her, den ich hinter meinem Rücken zu verstecken suchte.
    »Keine Sorge.« Lians mildes Lächeln signalisierte Verständnis. »Es gibt Dinge, über die man nicht spottet.«
    »Sie haben sich ja richtig in Schale geworfen«, sagte ich schnell, um ihn abzulenken.
    Lian ging zum Spiegel und prüfte mit geschultem Auge sämtliche Falten und Verschlüsse, Litzen und Bänder, um sich zu vergewissern, dass alles an seinem Platz war. »Ganz passabel.«
    Meine Kollegen vom cygnischen Militär und vom Interplanetaren Wissenschaftsrat waren zu einer feierlichen Zeremonie geladen worden. Dabei sollte der Opfer der Katastrophen gedacht werden, durch die es

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