Die Beste Zum Schluss
Hund. Es ist ein Bild wie am Ende eines Films.
Bevor ich in die Hauptstraße einbiege, ist das Letzte, was ich sehe, Rene.
Sie hebt eine Hand, und sogar aus dieser Entfernung erkenne ich ihr Scheißegallächeln. Ich will mein Leben mit ihr verbringen. Ich will bei ihr sein, bis sie stirbt. Oder ich. Aber jetzt muss ich los.
Als wir landen, werde ich wach. Ich taumele aus der Maschine und kneife die Augen gegen die Helligkeit zusammen. Blauer Himmel, eine grelle Sonne, klare warme Luft. Fast schnauze ich die Stewardess an, wo zum Teufel man mich hingebracht hat, dann entdecke ich das Schild: Vancouver International Airport . Ich bin da. Kanada. Einmal schlafen, und schon bin ich achttausend Kilometer näher an Eva. Mein Magen beweist, dass er auch auf anderen Kontinenten abstürzen kann. Ich eile mit einem Glücksgefühl auf das Terminal zu und wünschte, ich hätte eine Sonnenbrille eingepackt.
Ich miete einen Wagen, decke mich mit Keksen, Wasser und einer Landkarte ein, und schon bin ich auf der Straße. Mir ist danach, das Gaspedal durchzutreten, aber fürs Rasen sind die Straßen zu voll. Ganz schön viel Verkehr für ein Land, in dem drei Menschen pro Quadratkilometer leben, stockender Verkehr, hatte ich in meinem Zeitplan nicht mit einberechnet, hat aber auch Vorteile; in San Francisco habe ich mal fünfhundert Dollar für eine rote Ampel bezahlt, und wenn ich jetzt einmal anfange zu rasen, wird es richtig teuer. Seit meiner Abfahrt in Aachen vor fünfzehn Stunden fühle ich mich unruhig, ein Gefühlschaos, das nur von einer bestimmten Person wieder in Ordnung gebracht werden kann.
Irgendwann erreiche ich eine Autofähre und checke ein. Die Wartezeit und die folgende Überfahrt verstreichen quälend langsam. Ich stelle mich aufs Deck und schaue in die Weite, doch zum ersten Mal in meinem Leben genieße ich es nicht, auf dem Wasser zu sein. Die umwerfende Natur zieht an mir vorbei wie eine Fototapete, und als auf halber Strecke ein paar Touristen aufschreien und aufgeregt mit Fingern und Kameras herumfuchteln, betrachte ich bloß die Zeiger meiner Uhr. Wenn das Beamen eines Tages tatsächlich erfunden werden sollte, dann hundertpro von einem Verliebten auf der Anreise.
Endlich landen wir auf der Halbinsel, und hier wird es kanadischer. Lange, einsame Straßen am Meer entlang, danach ein noch längerer, noch einsamerer Highway durch ewige Wälder. Nichts als Farben, Weite, Wasser und Land – doch ich will kein Land, ich will Mensch. Ich drücke nun doch aufs Gas und ertappe mich mehrmals bei hundertsechzig Stundenkilometern. Die Landschaft fliegt an mir vorbei. Ich zwinge mich, wieder ein bisschen langsamer zu fahren. Fehlt noch, dass ich mich um einen Baum wickele, bevor ich weiß, ob das, worum ich mich lieber wickeln möchte, noch in Tofino ist und was sie zu meinem kleinen Überraschungsbesuch sagt.
Stunde um Stunde rase ich durch unglaubliche Natur, die immer wieder versucht, mich mit visuellen Schocks zum Anhalten zu zwingen. Manchmal ist es ein riesiger Baum, manchmal eine Schneise im Wald, die am Horizont in Himmel übergeht, oder man fährt plötzlich an einem enormen eisblauen See vorbei, in dem sich der Himmel spiegelt. Ich schalte auf Autopilot, folge stur der Straße und kämpfe gegen die Verlockungen, wie Odysseus einst gegen die Sirenen, doch es hört einfach nicht auf. Ein Naturschock nach dem anderen. Ich muss der erste Mensch der Geschichte sein, der es schafft, diese Strecke zu fahren, ohne ein einziges Mal anzuhalten.
Irgendwann, die Tanknadel beginnt mir langsam Kopfzerbrechen zu bereiten, kommt ein Strand. Dann noch einer. Noch einer. Und noch einer. Jetzt ist es nicht mehr weit. Meine Haut beginnt zu kribbeln, als würde ich auf einer Herdplatte köcheln. Und dann bin ich plötzlich da. Ein Schild Tofino .
Im Internet konnte man gut erkennen, dass das Dorf klein ist, aber es ist noch kleiner, vielleicht haben mich aber auch nur die Weiten des Hinwegs versaut. Ich drehe um, verlasse das Dorf wieder und biege in den ersten Weg rechts vor der Dorfeinfahrt ein. Auf einem Steg steht ein rotes Holzhaus. Das muss es sein. Noch knapp elf Stunden bis zu meinem Rückflug. Acht Stunden Rückweg, zwei Stunden vorher einchecken, vielleicht gehen auch neunzig Minuten, aber noch den Mietwagen abgeben, also maximal sechzig Minuten Aufenthalt. Ich sitze noch einen Augenblick im Wagen, schaue zu dem Hotel rüber und versuche, mich zu sammeln, aber mein Kopf ist so leer wie mein Herz voll. Wenn sie
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