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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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und sehe Lola mit ausgebreiteten Armen auf mich zugeschossen kommen, das kleine Gesicht voller Verzweiflung. Ich fange sie auf. Sie klammert sich an mich, weint und stammelt, und ich verstehe kein Wort. Aber ich verspreche ihr, dass alles gut wird, dass wir eine Familie sind und ich sie liebe, weil sie einfach toll ist und ich mein ganzes Leben mit ihr verbringen möchte. Sie schluchzt herzerweichend und stammelt weiter. Ihre Angst bricht mir das Herz, also setzen wir uns aufs Bett, ich nehme sie auf den Schoß und streichele sie, während die Verunsicherung aus ihr herausbricht. Volker hat sie dutzendfach enttäuscht. Er hat sie angelogen. Er hat sie mehrmals vergessen und verletzt, ohne sich zu entschuldigen oder zu erklären. Jetzt befürchtet sie, dass alle Väter so sind. Und in diesem Moment, während ich dieses tolle, weinende Mädchen im Arm halte, bin ich mir nicht mehr sicher, ob es richtig war, ihr lieber einen schlechten Vater vorzuführen als gar keinen.
    Die Zimmertür öffnet sich, Rene steckt den Kopf herein. Ich fange ihren Blick. Sie zieht sich wieder zurück. Die Tür schließt sich. Ich streichele Lolas Haar und verspreche ihr noch mal, dass alles gut wird. Sie schluchzt weiter, und ich muss los. Einer der vielen Augenblicke, in dem ich mich ebenfalls als schlechtes Vorbild fühle – aber ich weiß, dass dieses Gefühl nur daraus resultiert, dass ich am liebsten ein perfekter Vater wäre. Bin ich aber nicht. Ist niemand. Aber ich bin gut genug, und nirgends steht, dass ich mein eigenes Leben aufgeben muss, um ein gutes Vorbild zu sein. Und deswegen werde ich jetzt fahren.
    Ich halte Lola die Nase zu. Sie reagiert genervt. Ich ziehe ihr am Ohrläppchen. Sie reagiert noch genervter, aber diesmal ziehe ich es durch. Knutschen, Luft gegen die Wange prusten, kitzeln. Sobald die Töne sich ein bisschen geändert haben, erkläre ich ihr, dass ich ihre Hilfe brauche. Sie solle für mich ein Auge auf Mama haben, bis ich wiederkomme. Das verspricht sie. Dann kuscheln wir ein bisschen, und ich bitte sie, nicht mit einem Atomphysiker durchzubrennen, bevor ich wieder da bin. Sie denkt einen Augenblick darüber nach, dann sagt sie: okay, und mein Herz schmilzt mal wieder. Ich küsse sie auf die Nase, doch als ich aufstehen will, klammert sie sich an meinen Hals und sagt, ich soll bei ihr bleiben. Ihr Schmerz und ihre Verlustangst sind echt, aber so ist das mit Gefühlen: Sie haben manchmal wirklich keine Ahnung, was richtig oder falsch ist.
    Als ich mit Lola auf dem Arm aus dem Haus komme, sitzt Rene mit ihrem Vater am Verandatisch und zeigt ihm die glorreiche Versicherungspolice. Oscar spielt mit Sulke, der gerade etwas kaut. Ich entdecke Susi in der Verandaecke und atme auf. Oscar kommt auf mich zugelaufen und haut mir auf meinen linken Oberschenkel.
    »Du bringst mir was mit!«, brüllt er überdreht.
    »Versprochen.« Gut, dass er nicht entscheiden darf, ob es eine neue Tante oder eine Spielzeug- m g wird, sonst hätte mein Liebesleben schlechte Karten.
    Er kämpft ein bisschen mit meinem Bein und stößt dabei gegen den Tisch. Ein Glas fällt um, Orangensaft schwappt auf die Versicherungspolice. Alle springen auf und retten, was zu retten ist. Rene schnauzt Oscar an. Ich nutze den Tumult, um mich in Richtung Wagen zu drängeln. Lola klammert sich immer noch an meinen Hals und drückt mir die Luftzufuhr ab. Hm. Vielleicht ein neuer Trick von ihr.
    Ich öffne die Autotür und werfe meine Tasche hinein. Lola hängt an mir wie ein nasser Sack. Ich knutsche ihre Wange und bitte sie, mich loszulassen, da ich sonst nicht loskönne. Sie klammert. Rene stellt sich neben mich, streckt die Arme aus und sagt:
    »Lola.«
    Lola lässt mich los und rutscht in die Arme ihrer Mutter, während sie wieder herzzerreißend weint. Oscar verpasst meinem Bein noch einen Haken und erinnert mich sicherheitshalber noch mal an das Geschenk, und ich weiß, er liebt mich nicht weniger als Lola. Ich nicke seinem Opa zu, der ausdruckslos zuschaut, wie sein Enkel mich in einem allerletzten Duell abknallt. Auch ihn werde ich erst überzeugen, wenn ich morgen wieder auftauche.
    Ich ramme den Gang ins Getriebe.
    Als ich die Allee hinunterfahre, sehe ich im Rückspiegel eine Frau, mit einem Mädchen auf ihren Armen, das ich auf eine Art liebe, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Neben ihr steht ein Junge, den ich ebenso sehr liebe. Er presst ein Meerschweinchen an die Brust und hält die Hand seines Opas. Vor ihnen liegt ein

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