Die Beste Zum Schluss
vermutlich wie Weihnachten vorkommt. Lola klammert sich an meinen Hals, Oscar brüllt mir ins Ohr. Nach ein paar Drehungen stelle ich sie wieder ab und wuschele ihnen durch die Haare.
»Habt ihr Lust, mit mir in die Stadt zu gehen und ein total schwachsinniges Kostüm zu kaufen?«
An dem Tag, an dem Kinder dazu Nein sagen, rufe ich einen Arzt. Also fahren wir wenig später Richtung Innenstadt, während Oscar mir seinen Tag minutiös nacherzählt. Ein Pädagoge erklärte mir mal, dass Jungs generell ab der Pubertät nicht gerne mit Erwachsenen reden, weil sie denken, dass die Erwachsenen sofort merken, dass sie die ganze Zeit nur an Sex denken. Super, nur noch sechs, sieben Jahre, dann hält er endlich die Klappe.
Lola dagegen schaut still aus dem Seitenfenster. Einmal fange ich ihren Blick im Innenspiegel und wackele mit den Augenbrauen. Sie mustert mich einen Augenblick, dann schaut sie wieder aus dem Fenster. Die kleine Mona Lola. Die Schulpsychologen meinen, dass sie hochbegabt ist, und ich male mir gerne aus, wie sie sich die ganze Zeit Weltrettungspläne ausdenkt. Oder die Urformel knackt. Oder Berechnungen anstellt, wie man eine gute Beziehung führen könnte. Mit einer Mama, die immer Zeit hat und trotzdem die Miete zahlen kann, was durchaus möglich wäre, wenn Papa nicht eine selbstsüchtige Lusche wäre. Volkers letzter Film handelt davon, wie ein Mann verzweifelt Selbstmord begeht, als er erfährt, dass seine Frau ihm die Kinder wegnimmt. Trottel.
Als ich mal wieder Lolas Blick im Spiegel fange, forme ich Superlola mit den Lippen. Sie mustert mich nachdenklich, dann schaut sie wieder aus dem Fenster und beginnt, gedankenverloren in der Nase zu popeln. Meine Mundwinkel schmerzen. Dieses Mädchen mag superschlau sein, aber es hat nicht annähernd eine Ahnung, wie süß es ist.
Kaum sind wir aus dem Wagen raus, brauchen wir trotz des Schietwetters dringend ein Eis, womit wir uns dann durch die Stadt kleckern. Als ich die Straße entlangschlendere, an jeder Seite ein Meter Leben, erfüllt mich das mit dem Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Einfach alles. Es sollte Kindervermietungen geben, wo Singles sich ein paar Minihände zum Auftanken ausleihen können.
Mein Handy quiekt, Oscar schmeißt sich weg. Auch beim hundertsten Mal ist er noch nicht ganz darüber weg.
»Hast du sie geholt?«, fragt Rene.
»Habe ich sie jemals nicht geholt? Na bitte. Also kommst du heute Abend mit auf die Party.«
»Mads«, sagt sie, und ihre Stimme klingt müde, »wenn ich hier rauskomme, will ich nur noch ins Bett. Küss sie von mir.«
Sie legt auf. Immerhin hat sie sich irgendwie verabschiedet.
»Ich soll euch von eurer Mutter knutschen«, sage ich und stecke das Handy ein. »Wer will zuerst? Oscar?«
Er greift sofort mein Bein an und prügelt auf meinen Oberschenkel ein. Als er kleiner war, hielt ich in solchen Situationen immer seine Hand fest und erklärte ihm, dass die coolen Jungs argumentieren, statt zu prügeln. Seitdem quatscht er so viel, und so lasse ich ihm mittlerweile die Prügel durchgehen, weil er dabei immerhin die Klappe hält. Lieber blaue Flecken als minutenlange atemlose Sätze.
Als er sich ausgetobt hat, wuschele ich durch Lolas Haare.
»Und du, Süße?«
Sie schaut kurz zu mir hoch und vergisst mich auf der Stelle, weil uns eine Frau mit einem Hund entgegenkommt. Lola liebt Tiere. Wenn die Allergie nicht wäre, würden wir längst im Zoo wohnen. Krankheit als Chance.
Im Kostümgeschäft beraten die beiden mich, und als wir uns schließlich auf ein Schiedsrichterkostüm einigen, hat Oscar entschieden, dass er auch ein Kostüm will – und zwar ein Cowboykostüm mit Waffen und Hut und allem Drum und Dran. Ich versuche, ihm zu erklären, dass die Indianer eigentlich die Guten waren. Sie lebten in Harmonie mit der Natur, bis die sogenannte Zivilisation sie niedermetzelte. Durch diese gemeine Geschichtsverdrehung ernte ich zwölf Bauchschüsse von ihm. Die Spielzeugpistolen knallen bei jedem Schuss. Rene wird mich umbringen.
Lola dagegen bestätigt mal wieder ihren eigenen Kopf. Prinzessin? Engelchen? Biene? Mitnichten! Sie entscheidet sich für eine Kostümmischung aus Schöffengewand und Gesichtsschleier. Will sie Recht sprechen oder konvertieren? Richter oder Moslem? Steht sie einfach drauf, ihr Gesicht zu verstecken?
Jedenfalls kostet die Shoppingtour die beiden eine Menge Einsatzzeiten im Haushalt, aber sie nehmen den Deal klaglos an. Manchmal glaube ich, sie empfinden solche Deals
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