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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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künstlich lispelnde Jungschauspielerin, die irgendein unterbelichteter Pressetexter »die Geilste Deutschlands« getauft hat. Sie moderierte ein Tratschmagazin auf pro 7 und drehte nebenher einen Haufen Teenie- t v -Movies als Blondchen, bis ein debiler Regisseur auf den grandiosen Gedanken kam, sie gegen ihre Rolle zu besetzen und als Hauptdarstellerin in einem Drama über eine spastische Alleinerziehende zu engagieren. Die größte Fehlentscheidung seit dem Feldzug gen Osten. Sie zuckte und zischte sich durch den Film wie ein Würstchen in der Pfanne und gewann mit der Nummer allen Ernstes den Deutschen Fernsehpreis. Seither gilt sie als die neue deutsche Filmhoffnung.
    Ich öffne die Augen und sehe als Erstes Gerds Fliege. Ich schließe die Augen wieder und zähle bis hundert. Bei vierundzwanzig räuspert er sich.
    »Schreib eine herzzerreißende Reportage über ihre schwere Kindheit, ihre nächsten Ziele und großen Träume. Und vergiss nicht, das Produkt ordentlich zu erwähnen. Hier ist die Dispo.«
    Ich öffne die Augen. Er schiebt mir einen Excel-Ausdruck rüber. Ich werfe einen Blick auf Caros Tagesablauf in Köln. Fotoshooting und Gewinnspiel mit Fans, exklusive Lesung für ihren Fanclub mit anschließender Signierstunde, Interviews für rt l , wd r , pr o   7 , dann Print-Interviews für verschiedene Magazine und Tageszeitungen und schließlich Talkgast bei Kerner. Ein Tag im Leben eines Promis. Mein Blick bleibt an dem Datum haften. Einundzwanzigster Mai. Das ist …
    »Morgen?«, sage ich und hebe den Blick. »Morgen ist Feiertag. Christi Himmelfahrt. Ein wichtiger Tag für alle Katholiken.«
    »Du bist Atheist«, sagt Gerd ungerührt. »Der erste Termin ist erst um zwölf. Das schaffst du.« Er saugt wieder an seiner Wange und betrachtet mich. »Sieh es so: Alle anderen kriegen fünfzehn Minuten mit ihr, du kriegst einen ganzen Tag.«
    »Ich nehme die fünfzehn Minuten. Auf zwölf Monate verteilt.«
    »Ich kann auch Vanessa fragen.«
    Hallo? Was ist denn nun los? Als ich vor fünf Jahren hier anfing, hätte er jemanden wie Vanessa belächelt, und jetzt benutzt er sie als Druckmittel?
    Als er meinen Blick sieht, zieht er die Mundwinkel kurz hoch, bevor er sie wieder humorlos fallen lässt.
    »Na, bitte, jetzt bist du wach, was? Du kannst von Vanessa halten, was du willst, doch sie hat gute Kontakte. Sie ist öfters auf Premieren als du auf Partys. Gehst du überhaupt mal irgendwohin?«
    »Gib mir interessante Persönlichkeiten, die etwas Beeindruckendes geleistet haben, dann gehe ich überallhin, aber diese heutigen kochshowsingenden Schauspielmoderatorenschriftsteller – das ist doch furchtbar. Seit wann muss man eigentlich nichts Spezifisches können, um ein Vorbild zu sein?«
    Er schaut mich mit einem müden Blick an.
    »Du weigerst dich immer noch, die elementarsten Dinge des Jobs zu akzeptieren.«
    »Seit wann sind Promis elementar?«, werfe ich ein.
    Er winkt genervt ab.
    »Auflage ist elementar, denn die bezahlt dein Gehalt, und Promis erhöhen die Auflage, also …« Er mustert mich einen Moment genervt, dann stößt er seinen Sessel an, dreht sich und schaut wieder aus dem Fenster. »Denk an den Redaktionsschluss.«
    Als ich das Büro verlasse, renne ich Steffy aus der Reiseredaktion über den Haufen, die mit einem iPod und in Laufschuhen unterwegs ist, um in der Mittagspause die fünfzig Gramm zu verbrennen, die sie in der Frühstückspause zu sich genommen hat.
    »Kannst du was für mich recherchieren?«
    »Ich hab Pause.«
    Ich schaue sie überrascht an. Vielleicht hat sie ja vergessen, wer ihr den Job besorgt hat. Immerhin ist sie noch da. Sie trippelt auf der Stelle und wartet, dass ich ihr den Weg freimache.
    »Das Interview mit Rupert Neudeck fällt flach. Stattdessen mache ich Caro Sprallersen, und zwar morgen. Ich brauche also alles, was du über sie finden kannst, und das heute noch.«
    Sie hört schlagartig auf zu trippeln.
    »Caro?« Sie strahlt. « Die Caro?«
    Ich nicke vorsichtig.
    »Cool!« Sie klingt begeistert. »Ich stelle dir was zusammen.«
    Sie dreht sich um und eilt zu ihrem Büro zurück, und ich weiß noch nicht mal, ob sie mich veräppelt.
    Eineinhalb Stunden später habe ich die Kolumne in eine lustige, nichtsnutzige Version ohne Fakten umgeschrieben. Am Ende verliebt sich der Verliebtheitshasser und gesteht sich schlagartig ein, dass er zuvor nur von Bindungsangst verblendet war und nun glücklich ist, wegen der Möglichkeit, diesen wunderbaren Rausch noch ein

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