Die Beste Zum Schluss
bereits als Aufmerksamkeit. Ich sollte mal mit Rene darüber reden. Irgendwann, wenn sie mal den Kopf dafür hat.
Auf dem Heimweg behalten wir die Kostüme an und kassieren jede Menge lustige Kommentare von Passanten. Oscar knallt sie alle ab.
»Gewalt ist keine Lösung«, erkläre ich ihm und ernte eine entsprechende Reaktion.
Als Rene bei mir einzog, hatte ich keine Ahnung von Kindern, also las ich jeden Erziehungsratgeber, den ich auftreiben konnte. Ich recherchierte im Netz über kinderfreundliche Wohnungen, kindgerechte Ernährung und redete mit jeder Mutter, die ich traf, sowie mit mehreren Erziehern. Doch nichts davon nahm mir meine Unsicherheit. Dass mir viele Eltern versicherten, dass sie beim ersten Kind ebenso verunsichert gewesen seien, half mir auch nicht. Schließlich geriet ich an einen Pädagogen, der ein Internat für schwer erziehbare Jugendliche leitete und der mir die Top Ten seiner Erziehungsregeln diktierte. Eine dieser Regeln war: Kinder brauchen feste Zeitabläufe. Doch als wir nach Hause kommen, ist es halb sieben und Rene immer noch im Büro. Die Kinder reagieren da weniger drauf als ich, vielleicht auch, weil sie das Abendessen bestimmen dürfen, wenn ihre Mama nicht da ist. Es gibt endlich wieder Pasta.
Während die Nudeln kochen, zieht Lola sich ins Kinderzimmer zurück, um weiter an der Urformel zu basteln. Der Cowboy verschwindet ins Schweinezimmer, um Susi abzuknallen, und ich rufe Rene an. Mailbox. Das bedeutet entweder, dass sie auf dem Heimweg ist oder dass sie unsere Gespräche jetzt schon vorher abbricht.
Während ich ihr auf die Mailbox spreche, geht die Wohnungstür auf und die Angewählte kommt mit Einkaufstüten beladen herein. Ich lasse das Handy sinken und zeige ihr die gelbe Karte.
»Zu spät!«
Sie mustert mein Schiedsrichterkostüm, doch bevor sie etwas sagen kann, fliegen ihr von zwei Seiten Kinder in die Arme. Der Cowboy erklärt ihr ausführlich seinen Tag, die Hohepriesterin kuschelt sich an ihr Bein. Rene sieht so angeschlagen aus, dass ich vorschlage, Espresso über ihre Nudeln zu kippen. Sie lacht nicht.
Beim Essen hat ihre Stimmung alle angesteckt. Es herrscht Schweigen am Tisch, bis ich das Dessert aus dem Eisfach hole. Vor Freude über sein Lieblingseis knallt Oscar uns alle ab, bis Rene ihm die Knallpatronen wegnimmt. Schlagartig bekommt er schlechte Laune, worauf Rene ihn anraunzt und er erst recht schmollt. Das hat er echt drauf. Er verschränkt die Arme, presst die Lippen zusammen und schaut böse. Immer wenn er das macht, muss ich an diesen Spanierjungen in einer Asterixausgabe denken, der die Luft so lange anhielt, bis Obelix Asterix anflehte nachzugeben. Total süß, echt zum Dahinschmelzen. Das Problem ist nur: Wenn er merkt, dass man ihn süß findet, gibt es Stress. Schließlich brüllt er seine Mutter an, dass sie nie Zeit hat, weil er weiß, dass das ihr wunder Punkt ist, und packt dann noch ein paar Wörter aus, die er in der Kita gelernt haben muss. Ich will ihn auf sein Zimmer schicken, bis er sich beruhigt hat, aber Rene legt ihre Hand auf meinen Arm.
»Mads.«
In dem Moment bin ich raus. Die Kinder haben mich in den letzten fünf Jahren nicht seltener gesehen als ihre Mutter. Und tausend Mal mehr als ihren leiblichen Vater. Ich habe die beiden gewickelt, getröstet und miterzogen, doch auch nach fünf Jahren räumt Rene mir immer noch kein gleichberechtigtes Mitspracherecht bei den Kindern ein. Wenigstens liegt es nicht daran, dass ich nicht der leibliche Vater bin. Ihr Verhalten ist bloß auf ihre dominante Art zurückzuführen. Doch das ändert nichts daran, dass es mich verletzt. Jedes verdammte Mal.
Sie lehnt sich vor und legt ihre Hände auf Oscars schmale Schultern.
»Schatz, bitte, Mama hatte einen schweren Tag.«
»Das sagst du doch immer!«, schreit Oscar und stampft auf den Boden. »Du hast nie Zeit! Und ich bin der Einzigste, der nie in den Ferien wegfährt!«
»Der Einzige«, sage ich und frage mich im selben Moment, wieso ich Rene helfe und Oscars Wut auf mich ziehe – eigentlich bin ich auf seiner Seite.
Er streckt mir sein wütendes Gesicht entgegen.
»Du bist doof!«
Bevor ich etwas erwidern kann, schaut Rene mich müde an. Ich halte die Klappe. Sie wendet sich wieder ihrem Sohn zu, der wie eine kleine Gewitterwolke vor ihr steht.
»Tut mir leid«, sagt sie mit müder Stimme. »Ich mache es wieder gut, ja? Dieses Jahr machen wir zusammen Ferien, ich verspreche es, und du kommst nie drauf, wohin wir
Weitere Kostenlose Bücher