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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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lassen. Ich setze mich auf den Stuhl, der ein bisschen tiefer ist als seiner. Chefkultur aus den Achtzigern. Oder früher. Jedes Mal wenn ich hier sitze, muss ich an Chaplins Der große Diktator denken, wo Hitler und Mussolini ihre Friseurstühle um die Wette pumpen. Sobald ich den Job habe, wird der Stuhl genauso schnell verschwinden wie Vanessa. Vielleicht gebe ich ihn ihr als Abschiedsgeschenk mit.
    »Gut«, sagt er und lehnt sich zurück. Er verschränkt die Arme, senkt seinen Kopf und mustert mich. Immerhin versteckt sein Doppelkinn so einen Teil der Fliege. »Ich habe eine schlechte Nachricht und eine schlechte.«
    Ich schaffe es irgendwie, nicht die Augen zu verdrehen.
    »Wegen der Finanzkrise werden alle Gratifikationen für dieses Jahr ausgesetzt. Auch das Weihnachtsgeld und das dreizehnte Monatsgehalt.«
    Der Flurfunk hatte schon mal so was anklingen lassen, also trifft mich das nicht völlig unvorbereitet. Unser Mutterverlag macht zwar Rekordgewinne, aber er möchte natürlich noch mehr Gewinne machen. Ich überschlage kurz, was mich das kostet. Mist.
    »Und die schlechte Nachricht?«
    Mit spitzen Fingern nimmt er ein Blatt Papier vom Schreibtisch und liest.
    »Verliebtheit ist etwas für Menschen, die zu schwach sind, sich bewusst für einen anderen Menschen zu entscheiden …?« Er mustert mich einen Augenblick, bevor er weiterliest. »Ich kenne trockene Alkoholiker, die sich bemühen, nie wieder zu saufen, aber ich kenne keinen einzigen trockenen Verliebten, der nicht sofort bereit wäre, die lächerlichsten Dinge über sich ergehen zu lassen, um diesen jämmerlichen Rausch noch mal zu erleben. Verliebte sind nichts anderes als Junkies auf der Suche nach dem nächsten Schuss.« Er lässt das Blatt auf den Tisch fallen. »Was soll das?«
    »Das sind die Fakten. Der neueste Stand der Gehirnforschung besagt, dass …«
    »Moment mal«, unterbricht er mich. »Du sollst unsere Leser nicht informieren, sondern zum Lachen bringen, damit sie mit guter Laune shoppen gehen.« Er schaut auf die Wanduhr aus Holz, die noch einen richtigen Kuckuck hat, der zu jeder vollen Stunde rausschaut und herumkrakeelt. »In drei Stunden ist Redaktionsschluss. Schaffst du das?«
    Noch vor einem Jahr hätte ich eine Diskussion vom Zaun gebrochen, jetzt denke ich: Noch ein paar Monate …
    »Klar.«
    Ich bin halb aus dem Stuhl, als er eine Hand hebt.
    »Moment noch.«
    Ich setze mich wieder. Er verschränkt die Arme.
    »Wir verschieben das Neudeck-Interview und nehmen jemanden dazwischen.«
    Ich schaue ihn überrascht an.
    »Da gibt es nichts zum Schieben. Er will auf das Jubiläum der Grünhelme aufmerksam machen, also müssen wir das jetzt machen. Später hat er keinen Grund, mit uns zu reden.«
    Beeindruckt ihn nicht.
    »Rupert Neudeck …« Ich nicke ihm suggestiv zu. »Gründer von Deutsche Notärzte und Komitee Cap Anamur , Vorsitzender der Grünhelme , hat mit Heinrich Böll ein Schiff für Vietnam gegründet und Hunderten von Flüchtlingen das Leben gerettet.«
    »Eine große Persönlichkeit«, sagt er glatt. »Aber wir sind ein Frauenmagazin, kein Ökoblatt für Menschenrechtler.«
    Keine Ahnung, was ihm heute über die Leber gelaufen ist. Ich versuche es anders.
    »Rupert Neudeck ist seit vierzig Jahren mit seiner Frau verheiratet. Er hat bestimmt ein paar ganz besondere Beziehungstipps, wie man seine Ehe in Schwung hält und gleichzeitig der Gesellschaft hilft. Vielleicht hängt das ja zusammen? Vielleicht führt man eine bessere Beziehung, wenn man gemeinsam Gutes tut? Ist doch ein spannendes Thema, oder?«
    Er mustert mich bloß. Alles klar, das Ding ist durch.
    »Also, gut«, seufze ich. »Wer?«
    Er saugt an der Innenseite seiner linken Wange, dann lehnt er sich zurück und schaut aus dem Fenster.
    »Caro.«
    Ich brauche einen Augenblick, bevor mir dämmert, wen er meint. Ich schaue ihn böse an, was mehr brächte, wenn er nicht aus dem Fenster gucken würde.
    »Die Geilste?«
    »Sie hat ihre Biografie geschrieben.«
    »Was?« Ich lache. »Wie alt ist sie denn? Zwanzig? Was kommt als Nächstes, Lebensweisheiten von Sperma? Biografien direkt aus dem Uterus?«
    Er stößt seinen Sessel an und schwingt sich rum, sodass wir uns wieder in die Augen sehen können. Er meint es ernst.
    »Du wirst einen schönen Text über das deutsche Mädchen schreiben, das auszog, um die Welt zu erobern. Ein Tag im Leben des neuen deutschen Stars.«
    Stars  … Ich schließe die Augen und atme durch. Caroline Sprallersen. Eine

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