Die Beste Zum Schluss
leid‹. Du bist nicht die Einzige, die Probleme hat. Fragst du mich mal, wie es im Büro war? Glaubst du, du kannst dir alles rausnehmen, nur weil du dein Leben nicht auf die Reihe kriegst? Echt, komm mal wieder runter!«
Ihre Augen funkeln wütend. Na, geht doch. Besser wütend als deprimiert. Schnell weiter.
»Du brauchst mal wieder ein bisschen Spaß, Süße. Los, komm mit auf die Party, wir besorgen dir einen guten Typen, du bleibst über Nacht weg, ich kümmere mich morgen um die Kinder, während du dich den ganzen Tag von Mister Sixpack verwöhnen lässt.«
»Maamaaa!«, ruft Oscar aus dem Kinderzimmer.
»Ich komme!«, ruft sie zurück, und als sie mich wieder anschaut, ist die Wut endgültig aus ihrem Blick verschwunden. »Klingt gut. Aber heute geht es nicht.«
»Wann dann?«
»Bald.«
»Mein Name ist Bald, Ganz Bald. Ich hab die Lizenz zum Vertrösten.«
Sie schaut mich düster an, steht auf und verschwindet ins Kinderzimmer, und ich frage mich mal wieder, wie lange sie das noch durchhält. Diese Härte hilft ihr vielleicht, ihr Tagespensum zu bewältigen, aber ewig steht das niemand durch. Irgendwann wird sie zusammenklappen, und ich habe keine Ahnung, was ich dagegen tun kann.
Im Schweinezimmer erwartet mich Susi mit aufmerksamen Knopfaugen. Ich begrabe sie unter einem Ballen Heu, den sie begeistert begrüßt. Um heute Abend wenigstens ein glückliches Mädchen zu sehen, lege ich ihr noch eine halbe Möhre in den Käfig. Eine Welle geht durchs Heu, und schon ist das Ding verschwunden. Geiles Lebenskonzept. Sich in Lebensmitteln verstecken und langsam den Weg nach draußen freifressen. Wie Marlon Brando, als er des Starseins müde wurde. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere traute er sich, etwas völlig Neues zu machen – unattraktiv zu werden. Respekt. Ich schaffe es nicht mal, meinem Chef zu sagen, was ich von seiner Themenauswahl halte.
Susi vernichtet die Möhre und fällt dann über das Heu her. Dabei behält sie mich immer im Auge, sensibilisiert durch Oscars Art zu spielen. Wir kauften sie, als Volker Oscars dritten Geburtstag vergessen hatte. Er war irgendwo einen Film drehen, und seine Assistentin hatte vergessen, ihn an den Geburtstag seines Sohns zu erinnern. In der Folgezeit war Oscar aggressiv, bis er begann, im Park mit einem Hund zu spielen. Danach war er abends zum ersten Mal wieder umgänglich, und mir war klar, was nötig war. Lolas Allergien verhinderten einen Hund oder eine Katze, also gingen wir in eine Zoohandlung, und ich fragte ihn, welches Tier er haben wollte. Er zeigte auf Susi. Ich war skeptisch, aber Susi überlebte, und Oscar kümmert sich gut um sie. Das war die einzige Entscheidung bezüglich der Kinder, die ich in all den Jahren traf, ohne Rene einzubeziehen.
Das trockene Heu macht Susi zu schaffen. Immer wieder huscht sie zur Tränke und saugt wild an dem Wasserspender. Vom Zuschauen bekomme ich Durst, also gehe ich in die Küche, und dort trifft mich der Schlag. Am Küchentisch sitzt eine … Nutte! Und zwar die vulgärste, die ich außerhalb eines Films je gesehen habe. Faserige Hotpants, Turnschuhe, löchrige Netzstrümpfe, übertriebene Schminke, glitzernder Strassschmuck und eine schwarze Fick-mich-Perücke sowie ein Dekolleté, in dem ihre Brüste so unsichtbar sind wie ein Nilpferd auf einem Wickeltisch. Die Persiflage einer Prostituierten.
Sie lässt ihren Kaugummi platzen.
»Hallo, Fremder. Lust auf ein bisschen Spaß?«
Ich lasse meinen Blick über ihre Kleidung wandern und hebe die Augenbrauen. Sie zieht ihre Schultern hoch.
»Was anderes habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Vielleicht kann ich noch die Haushaltskasse aufbessern.«
»Und wo ist das Wrack von eben abgeblieben?«
»Das Wrack hat einen Babysitter angerufen und sich einen Espresso reingepfiffen. Es hofft jetzt auf ein bisschen laute Musik und Alkohol und Sex, damit die Sache sich lohnt. Das Wrack muss auch mal Spaß haben, weißt du?«
Sie lächelt und plötzlich wird aus einem Tag, der auf einem Friedhof begann, sich in einem Mobbingbüro fortsetzte und in einem Streitabend mündete, das Versprechen für eine durchtanzte Nacht. I love Leben.
Auf dem Parkplatz rollen Limousinen vor, überall stehen Securitys und hinter den Absperrgittern jede Menge Schaulustige, Autogrammjäger und andere Menschen ohne sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Flakscheinwerfer beleuchten den Himmel, und die gesamte Halle ist von außen in rotes Licht getaucht. Vor dem Eingang liegt ein roter
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