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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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Läufer, und auf der linken Seite steht eine voll besetzte Tribüne für die Boulevardfotografen.
    »Meine Fresse«, murmelt Rene, als wir aus dem Taxi steigen. »Da lässt sich jemand nicht lumpen.«
    »Außer beim dreizehnten Monatsgehalt.«
    »Dreizehntes Monatsgehalt?«, stöhnt sie. »Wofür kriegt man das eigentlich?«
    »Keine Ahnung. Was soll’s, gibt’s eh nicht mehr.«
    Sie schaut mich unschuldig an.
    »Du meinst, deine zwölf müssen reichen?«
    »Jaja, ich weiß, was ich verdiene. Darum kann ich mir leisten, mit dir zusammenzuwohnen.«
    »Stimmt auch wieder«, sagt sie und hakt sich bei mir ein.
    Wir schreiten über den roten Läufer auf die Eingangstür zu. Während wir uns anmelden, mustern die Securitys Rene unauffällig. Sie sind sich wohl nicht ganz sicher, ob Rene im Kostüm ist oder ob ich mir Begleitung engagiert habe. Obwohl sie für eine echte Bordsteinschwalbe zu billig aussieht.
    »Hey, Jungs.«
    Rene verpasst dem Größeren von beiden ihr Scheißegallächeln.
    »He, ich dachte, du willst jemanden mit Geld?«, flüstere ich, um die Gefühle der Jungs nicht zu verletzen und damit auch mich selbst.
    »Alles, was ich heute brauche, ist ein großer harter …«
    »Hallo!« Vor uns steht die obligatorische, zwei Meter große Medienparty-Transe. »Willkommen bei Zehn Jahre anna .«
    Rene prustet los. Die Transe schaut mich fragend an. Ich winke beruhigend ab.
    »Sie lacht über was anderes.«
    Mein Beschwichtigungsversuch wäre glaubwürdiger, wenn Rene beim Lachen nicht ihren Zeigefinger auf die Transe richten würde. Aber als große Frau mit einer Stimme wie Ivan Rebroff ist man es sicher gewohnt, merkwürdige Reaktionen hervorzurufen. Doch wo man so gerne auf den Medien herumhackt, muss ich hier mal eine Lanze für sie brechen: Die Medienlandschaft ist toleranter, als man denkt. Wo könnte sich eine zwei Meter große Transe mit Perücke, Stöckelschuhen und einem Bariton sonst so normal fühlen, dass sie vergisst, wie es ist, ausgelacht zu werden?
    Meine Mitbewohnerin prustet weiter.
    »Jesus Maria …!«, lacht sie. »Du bist aber ganz schön groß für ’ne Minderheit!«
    Das war’s. Sie beugt sich vor, stützt sich auf ihre Knie und lacht sich tot. Die Transe schaut mich genervt an. Ich ziehe die Schultern hoch.
    »Alleinerziehend.«
    Die Transe geht kopfschüttelnd los, um neue Gäste zu begrüßen. Ich mustere Rene, die nach Luft schnappt. Die Hotpants, die Netzstrümpfe, der Ausschnitt … Die Fotografen nutzen den Moment, um circa fünftausend Fotos zu schießen – man weiß ja nie. Rene verpasst ihnen eine Ladung Scheißegallächeln. Als sie sich umdreht, sehe ich, dass sie ein Agenturshirt trägt, auf dem Rene Hacke Public Relations steht.
    »Du bist nicht zum Arbeiten hier«, sage ich und ziehe sie weiter.
    »Ein bisschen Werbung hat noch nie geschadet.«
    »Als Nutte?«
    »Any promotion is good promotion«, entgegnet sie, was mehr über ihren Berufszweig verrät, als man wissen will.
    Als wir den Festsaal betreten, drängen uns lautes Stimmengewirr und pulsierende House-Musik entgegen. Die Party ist bereits im Gange und der Raum überfüllt mit Menschen in Kostümen, nur die Tanzfläche ist noch unbevölkert. In allen Ecken sieht man Piraten, Römer, Engel, Rocky Horrors, Polizisten, Punks und Scream -Kostüme. Vereinzelt entdeckt man auch die traditionellen venezianischen Masken, doch die meisten Anwesenden haben einfach ihr Karnevalskostüm reaktiviert.
    »Was willst du trinken?«
    Bevor sie antworten kann, legt der d j Feel auf. Wir schauen uns an, dann marschieren wir geschlossen zur Tanzfläche, die jungfräulich vor uns liegt. Ich habe es schon immer gehasst, als Erster auf eine leere Tanzfläche zu gehen. Zuerst schließe ich die Augen, um nicht zu sehen, wie alle glotzen. Als ich irgendwann mal in die Runde linse, merke ich, dass mich niemand anschaut. Heutzutage wirken Tänzer oft, als wären sie Hauptdarsteller in einer Dauerwerbesendung für glückliche Menschen im Fitnessstudio. Ich bin aber noch mit Menschen aufgewachsen, denen es egal war, wie sie beim Tanzen wirkten – Hauptsache, sie hatten Spaß. So wie Rene. Sie geht neben mir ab wie ein fröhlicher Pinguin, und ihre Art zu tanzen ist so herrlich uncool. Wenn ich mit der Welt fertig bin, brauche ich nur zuzuschauen, wie eine Frau sich völlig hingibt, ob beim Sport, im Bett oder auf einer Tanzfläche.
    Dem d j gefällt’s auch. Als Robbie durch ist, nutzt er die Gelegenheit, um uns Radioheads Creep zu

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