Die Beste Zum Schluss
braucht?
Der Hundebesitzer beugt sich zu Oscar hinunter.
»Möchtest du mit ihm spielen? Er ist ganz lieb und tut dir nichts.«
Tut nichts? Die Töle sieht aus, als würde sie sterben, wenn jemand laut niest.
Oscar streichelt den Hund vorsichtig, und die Angst des Viehs schlägt in überbordende Freude um. Es springt winselnd herum und rammt sich den Schädel mehrmals am Tischbein. Durchgeknallt wie eine manisch-depressive Schauspielerin.
Oscar kriegt die Leine, und schon tobt er mit dem Hund die Straße entlang. Ich behalte die beiden im Auge und nehme mir vor, als Erstes den Hundebesitzer zu treten, falls das Vieh doch irgendwas Blödes tut.
»Also gibt es keine weißen Ritter?«, fragt Lola.
»Was?«
Sie mustert mich mit ihrem monaesken Blick.
»Äh, genau«, sage ich und streiche ihr über das seidenweiche Haar. »Das ist lieb von dir, aber du brauchst dir nicht den Rest anzuhören.«
»Ich will aber«, sagt sie so bestimmt, dass ich mich beherrschen muss, sie nicht abzuknutschen. Sie mag ein stilles Mädchen sein, aber sie wird sich von niemandem auf die Füße treten lassen.
»Gut. Also, pass auf: Was Märchenerzähler vergessen zu erwähnen, ist, dass die Rüstung des weißen Ritters aus Metall ist und damit sauschwer. Entweder er behält sie die ganze Zeit an und quält sich, oder er legt die Rüstung ab, aber dann ist er kein weißer Ritter mehr. Also muss man sich entscheiden: Will man einen total überanstrengten Ritter oder einen entspannten Normalo, wie du und ich?« Ich piekse sie in die Seite. »Also nicht wie du, du bist ja was Besonderes, aber du weißt, was ich meine, ja? Man denkt, der Ritter ist perfekt, aber mit der Rüstung kommt er nicht mal alleine aufs Pferd, also …« Ich habe den Faden verloren. Meine Gedanken flattern fröhlich herum, wie aufgebrachte Hühner. Gut, also einfach raus damit. »Ich bin in Eva verliebt.«
Eine kleine Runzel erscheint über ihrem Nasenrücken. Huch, die kenne ich noch gar nicht.
»Du weißt, ich liebe euch beide und deine Mutter, aber wie du auch weißt, sind wir kein Liebespaar. Wir sind die allerbesten Freunde der Welt. Darum können wir uns auch manchmal in jemanden verlieben. Deine Mama findet das toll. Sie mag Eva, verstehst du?«
Sie mustert mich aufmerksam und sagt nichts.
»Das ändert gar nichts für dich, Mama oder Oscar«, versichere ich ihr. »Wir sind eine Familie, und wir bleiben für immer zusammen, aber ich bin in Eva verliebt und will sie wiedersehen. Eva mag dich übrigens sehr, und du magst sie auch, nicht wahr?«
Schweigen. Suggestivfragen helfen nicht. Ich piekse sie in den Magen.
»Wir bleiben für immer zusammen, Süße, und wenn du irgendwas nicht verstehst oder Fragen hast, dann frag, egal wann. Du kannst mich heute Nacht ja wecken, wenn du ins Bett kommst. Ich liebe deine Fragen. Gut so?«
So, das muss reichen. Oder auch nicht. Sie senkt ihren Kopf. Wer weiß, was darin vor sich geht. Gott, mein Hirn ist ein Wackelpudding. Ich sollte vielleicht noch was sagen, aber besser nicht jetzt. Mir ist danach, Gedichte über die Hoffnung zu rezitieren.
Ich werfe einen Blick zu Oscar rüber, der den Hund immer noch nicht gebissen hat, und lege Lola eine Hand auf den Kopf.
»Alles klar, Süße?«
Sie regt sich nicht.
»Willst du noch ein Eis?«
Statt zu antworten, lehnt sie sich gegen mich. Aua. Sie findet immer wieder neue Wege, um mein Herz zu schmelzen.
Wir sind beim kollektiven Kartoffelschälen, als die Wohnungstür aufgeht und Rene hereinkommt. Die Kinder stürmen auf sie zu. Lola will auf ihre Arme. Oscar textet sie gnadenlos zu wie ein verbales Maschinengewehr, zweitausend Silben die Minute. Rene sieht aus, als würde sie gleich umkippen. Vielleicht der Schock, weil sie fast pünktlich Feierabend gemacht hat. Ich winke ihr zu und versuche, nicht allzu breit zu grinsen. Wir kennen uns schon so lange, aber gleich wird sie staunen. Oder auch nicht. Sie sieht wirklich erledigt aus. Lola merkt, dass ihre Mutter auf dem Zahnfleisch geht. Sie lässt von ihr ab. Oscar zieht durch, wie immer. Ich weiß, dass es in diesen Momenten am besten ist, ihr eine Viertelstunde Kinderpause zu lassen.
»He, Cowboy!« Ich winke Oscar zu mir. »Hier warten noch fiese außerirdische Kartoffeln auf dich, die du lebendig häuten musst …«
Er lässt widerwillig von seiner Mutter ab, und nach ein bisschen Gezeter schälen wir wieder Kartoffeln. Rene verschwindet in ihr Schlafzimmer. Ich bleibe noch ein paar Minuten sitzen, dann folge
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