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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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beneide. Unsensibel hat es leichter. Lola ist ein anderes Kaliber. Sie fragt Rene, ob es ihr gut geht, doch als die sie durchkitzelt und belügt, lässt sie sich ein bisschen ablenken. Aber man merkt, dass sie sich ihren Teil denkt. Oder bilde ich mir das nur ein? Gott, sie ist erst sieben. Vielleicht ist sie gar nicht so schlau, vielleicht interpretiere ich in ihren Blick zu viel hinein. Vielleicht auch nicht.
    Wir essen. Minuten aus Gummi. Ich brenne darauf, die Kinder ins Bett zu schicken und Rene in den Arm zu nehmen, sie zu beruhigen und alles verflucht noch mal so lange auszudiskutieren, bis ich es verstanden habe. Aber Rene lässt sie länger aufbleiben, knuddelt sie und verwöhnt sie mit Süßem. Lola mustert sie ununterbrochen. Ihr verwirrter Blick nimmt mir ein Stück Seele. Sie spürt, dass etwas nicht stimmt, weiß aber nicht was und kann deswegen keine Frage formulieren.
    Als Rene die Kinder endlich ins Bett bringt, warte ich in der Küche auf ihre Rückkehr, damit wir alles besprechen können. Ich denke an den Champagner im Kühlschrank. Mir ist danach, die Flasche auf ex anzusetzen. Aber Rene braucht meinen klaren Kopf. Oder auch nicht, denn sie kommt nicht.
    Irgendwann mache ich mich auf den Weg und werfe einen Blick ins Kinderzimmer. Die drei liegen in Lolas Bett, wie ein Rudel Welpen umeinandergewickelt, und schlafen. Als ich sie da liegen sehe, eine Familie, wird mir klar, dass ich nicht mehr wegkann. Ich kann nicht in ein Flugzeug steigen, während ich hier gebraucht werde. Es ist vorbei.
    Ich ziehe die Tür zu, gehe in die Küche zurück und setze mich. Ich darf Rene nichts davon erzählen. Wenn sie mitkriegt, dass ich Eva ihretwegen nicht nachreise, mischt sie mich auf. Sie verheimlicht den Kindern, dass sie Krebs hat, ich verheimliche ihr, dass ich morgen nach Kanada fliegen wollte. Das Schweigen der Menschen.
    Ich stehe auf und gehe auf den Balkon. Ich starre in den Himmel und versuche, die Welt verschwinden zu lassen. Klappt nicht. Also gehe ich wieder rein, setze mich an den Küchentisch, klappe meinen Laptop auf, gehe ins Netz und storniere die Reise. Mein Finger zögert kurz über der Bestätigungstaste. Dann klicke ich, klappe den Laptop wieder zu und starre an die Wand.
    Im Haus ist es leise. Irgendwo läuft ein Fernseher. In den Wohnungen um uns herum geht das Leben weiter. Manchmal habe ich mich gefragt, wie lange es noch gut geht. Irgendwann musste irgendwas passieren, aber ich dachte an einen kleinen Unfall oder Überfall oder eine heftige unglückliche Affäre – aber nicht an etwas Lebensbedrohliches. Nicht Krebs. So etwas passiert doch nicht uns. Der ewige Irrtum.
    Damals, als ich Rene auf dem Schiff wiedertraf, hatte ihre Mutter bereits beide Brüste verloren. Rene fuhr oft nach Hause, um bei ihr zu sein. Vier Monate nachdem wir zusammengezogen waren, starb ihre Mutter. In dieser Zeit redeten wir viel über die Krankheit, und daher habe ich ein bisschen Ahnung von den Abläufen und Therapien. Doch ein bisschen reicht jetzt nicht mehr. Wenn ich Rene helfen will, muss ich Informationen haben. Ich muss wissen, wann ich sie unterbrechen kann, um sie mit Fakten zu trösten. Sie hasst Beschwichtigungen. Hoffnung machen kann ich nur mit handfesten Argumenten. Also los.
    Ich klappe den Laptop wieder auf, gebe Brustkrebs in die Suchmaschine ein und bekomme über achthunderttausend Treffer. Puh … Aber einschüchtern gilt nicht. Ich beginne zu sortieren. Manche Seiten wollen verkaufen, doch die meisten sind von Ärzten oder Betroffenen, auf diesen Seiten bekommt man einen guten Überblick über die verschiedenen Diagnosen und Therapien.
    Eine Kanne Kaffee später schwirrt mir der Kopf. Brustkrebs scheint eine unendliche Geschichte zu sein. Da es kein Heilmittel gibt, gilt die Patientin anscheinend nur dann als geheilt, wenn sie an etwas anderem gestorben ist. In den Foren schreiben Frauen von gestreuten Tumoren und fehlgeschlagenen Chemos, von Haarausfall und Übelkeit. Nebenbei erfahre ich, dass ein Großteil der Beziehungen der Betroffenen an der Krankheit zerbrechen.
    Einige der Seiten speichere ich. Ich brauche etwas, wo ich nachlesen kann, falls ich zwischendurch den Faden verliere oder irgendein Arzt uns Müll erzählen sollte. Wobei ich das keinem raten würde. Rene weiß mehr über Brustkrebs, als jemand wissen kann, der nur studiert hat.
    Ich klappe den Laptop zu und lehne mich zurück. In einem Forum stand, das Schlimmste sei, nachts aufzuwachen, wenn der Partner schläft,

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