Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
Vom Netzwerk:
der Verwandtschaft oft schräg angesehen, wenn sie sich auf Familienfesten die Schuhe auszog und mit drei Schnäpsen zu viel die Tanzfläche eroberte, während mein Vater Wasser trank und immer ein Auge auf seine Frau hatte, damit er sie rechtzeitig zum Sofa bringen konnte, wenn die Schnäpse Wirkung zeigten. Dadurch, dass sie so unterschiedlich waren, gab mein Vater mir die nötige Stabilität, und meine Mutter gab mir die Impulse. Dank ihrer Sprunghaftigkeit lernte ich, dass das Leben jederzeit schön werden kann. Ihre Überraschungen gehören zu den schönsten Erinnerungen an meine Kindheit. Einmal kam ich morgens in die Küche und wollte vor der Schule frühstücken, da sagte sie, ich solle einen Koffer packen, wir würden in Urlaub fliegen. Das war mitten im Schuljahr, und ich hörte danach noch ein paar Mal, wie mein Vater ihr das vorwarf. Und er hatte recht – ich verlor den Anschluss in der Schule in diesem Schuljahr, aber ich bekam Anschluss an das Leben. Während meine Freunde zu Hause im kalten Klassenzimmer saßen, war ich mit meiner Mutter in Spanien und genoss zwei Wochen lang ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, etwas, das ich zu Hause nie hatte. Mein Vater lehrte mich Zuverlässigkeit, Zielstrebigkeit und Disziplin. Meine Mutter lehrte mich, das Leben zu genießen und dass es ein Leben außerhalb der Konventionen gibt. Vielleicht hat sie mit diesen Aktionen damals die Pflanze in mir gesät, die mir heute ermöglichte, eine Kanadareise zu buchen. Gott, ich wünschte, ich könnte mich bei ihnen bedanken und ihnen zeigen, welche Auswirkungen ihre gemeinsame Erziehung auf mein Leben hatte. Was aus mir geworden ist. Ich würde ihnen gerne noch so vieles sagen. Es hört nie auf, jeden Monat fallen mir neue Fragen ein. Sie sind immer noch bei mir. Manchmal fühlt es sich an, als sei alles erst gestern geschehen.
    Im selben Moment wird mir klar, dass ich zum ersten Mal seit Jahren an sie denke, ohne dass die Wolke oder die Welle erscheint. Vielleicht hat sich etwas verändert, seit … Eva. Mein Magen bricht ein. Gott, wie kann man jemanden so sehr vermissen, den man kaum kennt?
    Etwas berührt meine Hand. Ich atme durch und schaue nach unten. Lola schaut besorgt zu mir hoch.
    »Geht’s dir gut?«
    »Klar. Hab nur in die Sonne geschaut.«
    Sie sucht den wolkenverhangenen Himmel vergeblich nach Sonne ab.
    »Ich kann durch Wolken gucken«, erkläre ich ihr. »Bis in den Himmel.«
    Sie nimmt die Aussage so zur Kenntnis. Ich drücke ihr einen Schmatzer auf die Wange. Sie lässt mich gewähren. Sie weiß längst, dass sie mir damit eine Freude macht. Gut. Auf zu der eigentlichen Botschaft.
    »Ich liebe dich.«
    Sie mustert mich mit ihrem Mona-Lola-Blick und reagiert kein bisschen. Sage ich ihr das zu selten? Nein. Sage ich es zu oft? Nein, das kann man nicht zu oft sagen.
    Ich stupse sie an.
    »He, flipp jetzt nicht völlig aus, okay? Und lass dir eines gesagt sein, wenn du später mal einen Freund hast, dann musst du an dieser Stelle irgendeine Gefühlsregung zeigen, sonst dreht der Arme komplett durch und springt von einer Brücke.«
    Sie denkt vielleicht kurz drüber nach, dann dreht sie den Kopf und wirft dem Hund am Nebentisch einen argwöhnischen Blick zu. Vielleicht überlegt sie, ob es ein Hund oder eine Ratte ist. Gute Frage.
    »Dich liebe ich auch«, erkläre ich Oscar. Er lässt es mir durchgehen, immerhin hab ich ihm gerade ein Eis spendiert. »Okay, hört mal her, wisst ihr noch, was ich euch über Verliebtheit erzählt habe?«
    »Bäh!«, macht Oscar.
    Ich grinse.
    »Sehr gut, aber ich meinte diesen bestimmten Satz, den ihr euch merken solltet.«
    Oscar beginnt zu hibbeln. Meine eisbedingte Schonfrist ist gleich abgelaufen.
    »Verliebtheit ist was für Leute, die sich nicht …« Lola kneift die Augen zusammen und denkt angestrengt nach. »… bewusst entscheiden.«
    »Super!«, lobe ich. »Viele Menschen träumen von dem perfekten weißen Ritter, dabei gibt es den gar nicht. Weiße Ritter sind bloß Erfindungen von Märchenerzählern.«
    »Es gibt auch schwarze Ritter«, meldet Oscar sich energisch und beäugt nun auch den Hund am Nebentisch.
    »Richtig, aber die lieben nicht, die kämpfen bloß. Gut zu kämpfen ist viel einfacher, als gut zu lieben.«
    Damit schieße ich mich endgültig aus seiner Wahrnehmung heraus. Er lässt sich vom Stuhl gleiten und mustert den Hund, der ihn wiederum mit großen schwarzen Augen anguckt und am ganzen Körper zittert. Wo ist der Kammerjäger, wenn man einen

Weitere Kostenlose Bücher