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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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Welle. Sie verharrt in der Straßenmitte und bewegt sich kaum, schwappt nur leicht hin und her, als könnte sie sich nicht entscheiden. Zum ersten Mal in meinem Leben geht sie nicht sofort auf mich los. Ich nutze die Gelegenheit, um sie mir genauer anzuschauen. In den Katastrophenfilmen sind Tsunamis blaue, schöne Riesenwellen, die sich perfekt brechen. Meine Welle ist eine graue Wand. Die Schaumkronen obendrauf sind reine Staffage. Sie wird nicht brechen, sie wird durch alles hindurchfegen. Für einen Moment überlege ich mir, das Knutschpärchen zu fragen, ob es sie auch sehen kann, aber ich mache mir nichts vor. Die Welle gehört mir. Und ich ihr. Außer gestern in der Küche, als Eva mich berührte. Gott, fehlt sie mir.
    Ich zeige der Welle den Finger und gehe wieder rein. Rene fängt meinen Blick und winkt mir von der Tanzfläche zu. Ich winke zurück und steuere die Theke an, wo die Bedienung sich suchend umschaut. Als sie mich sieht, lächelt sie.
    »Hey Fremder, dachte schon, du hättest die Zeche geprellt.«
    »Ich wollte ja, aber es regnet.«
    Sie legt ihren Kopf schräg.
    »Möchtest du tanzen?«
    »Ich bin mit meiner Freundin hier.«
    Sie schaut vielsagend zur Tanzfläche, wo Rene und ihr Lehrer gerade knutschen. Sie schaut mich wieder an.
    »Offene Beziehung?«, schlage ich vor.
    »In offenen Beziehungen darf man mit anderen tanzen, oder?«
    Ich wiege den Kopf hin und her.
    »Also, hm, ich weiß nicht. Gruppensex toleriert sie, aber wenn ich mit dir tanze, also das könnte Stress geben.«
    Sie lacht und hält mir ihre Hand hin. Ich schüttele den Kopf. Sie lässt die Hand wieder sinken.
    »Was ist das Problem?«
    »Ich kann keine Salsa.«
    »Aber ich.«
    Ich hebe eine Hand.
    »Danke, aber besser nicht.«
    Sie spitzt die Lippen und mustert mich nachdenklich.
    »Bist mehr so der Checker, ja? Weißt ’ne Menge, machst aber nie mit, und dadurch wird dein Wissen nutzlos, weil du nichts erlebst, stehst in der Ecke und schaust zu, wie die anderen tanzen.«
    Sie schaut mich auffordernd an. Mann, ist sie süß.
    »Musst du nicht arbeiten?«
    Statt beleidigt zu sein, lächelt sie fein. Sie steht einfach da, sagt keinen Ton, und lächelt. Ich versuche es noch mal.
    »Hör mal, ich bin der einzige Junge, der jemals aus einer Tanzschule geworfen wurde, ohne jemanden befummelt zu haben. Ich kann wirklich nicht tanzen.«
    Sie mustert mich bloß. Verdammt, was soll’s.
    »Okay«, seufze ich. »Dann gehöre ich halt auch gleich zu den vielen weißen Männern, die sich auf einer Latinotanzfläche blamiert haben.«
    Ein strahlendes Lächeln huscht über ihr Gesicht, bevor sie zu einem Latino rüberschaut, der in einer Männerrunde steht. Sie feuert eine Maschinengewehrsalve Spanisch auf ihn ab. Er zuckt getroffen zusammen und hebt eine Hand zur Aufgabe, dann kommt er zur Theke getrottet.
    Wenig später schiebt sie mich über die Tanzfläche, während sie versucht, meine Hüfte zum Leben zu erwecken und sich dabei nicht die Zehen planieren zu lassen. Gott sei Dank ist es so voll, dass niemand meine Beinarbeit sieht. Ich folge ihren Anweisungen und ignoriere Renes dämliches Augenbrauengewackel, während meine Tanzlehrerin sich bemüht, Europa aus meiner Hüfte zu vertreiben.
    Eine Stunde später lehne ich schweißüberströmt an der Theke und rolle mir eine eisgekühlte Bierflasche über die Stirn. Meine Tanzlehrerin heißt Rossella und ist die Besitzerin des Ladens. Sie ist in Costa Rica geboren, in Deutschland aufgewachsen und arbeitete früher als – Überraschung – Tänzerin. »Bekleidet«, wie sie betont. Als sie dafür zu alt wurde, steckte sie ihr Geld in diesen Laden, die beste Entscheidung ihres Lebens, sagte sie, bevor sie mir einen Kuss auf die Wange gab und in Richtung Toiletten zog. Obwohl wir nur getanzt haben, fühle ich mich, als wäre ich fremdgegangen. Fragt sich nur, wen ich betrogen haben soll, jaja.
    Rene schlägt neben mir auf und lehnt sich gegen die Theke.
    »Hey, die mag dich, oder?«
    Sie schnappt sich meine Flasche und setzt sie an ihre Lippen.
    »Ich glaube, deiner mag dich auch«, sage ich.
    Einen Viertelliter später reicht sie mir die Flasche zurück und grinst.
    »Jesus, wem erzählst du das – ich tanze mit ihm! Wenn er nur halb so gut im Bett ist, überlebt man das vielleicht gar nicht.« Sie schaut sich grinsend um. »Und, was geht mit der Chica?«
    »Nix.«
    Sie tätschelt meine Wange und lächelt mich mit ernsten Augen an.
    »Süßer, ich weiß, sie fehlt dir. Aber sie ist weg,

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