Die Beste Zum Schluss
mit blöden Blicken.
»Was jetzt?«, frage ich. »Taxi rufen oder wieder rein, bis es aufhört zu regnen?«
Rene legt ihren Kopf schief.
»Hörst du das?«
Ich lausche und höre bloß das fette Wummern aus dem Club.
»Da«, sagt Rene. Sie streckt einen Arm aus und zeigt die Straße runter. »Salsa.«
Ich folge ihrem Fingerzeig. In dem Grau erkenne ich weder eine Leuchtreklame noch eine Bar oder irgendwas Sonstiges. Alles, was ich sehe, ist Nacht und Regen. Die Tropfen trommeln auf den Asphalt, dass es spritzt. Ich lausche noch mal – nichts. Alles, was man hört, ist Rap und Regen, und Letzterer nimmt zu. Das ist kein Schauer, sondern ein amtliches Frühlingsgewitter.
Rene nimmt meine Hand.
»Wir laufen.«
»Wir werden ersaufen.«
Sie verpasst mir ihr Scheißegallächeln, dann läuft sie mit meiner Hand los. Der Rest von mir nimmt die Verfolgung auf. Nach wenigen Metern sind wir durchnässt. Wir hüpfen von Hauseingang zu Hauseingang, und als wir um eine Straßenecke kommen, höre ich es auch: Durch den prasselnden Regen dringen Salsatöne zu uns. Wir sprinten unter die Markise einer Boutique und entdecken auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Quelle. Eine Bar, aus der laute Salsamusik und Gelächter dringen. Durch die beschlagenen Scheiben erkenne ich Gleichaltrige. Es wird getanzt. Wow! An einem Regentag in Deutschland ist das wie Drogen nehmen.
Rene jauchzt und läuft los, ich folge. Wir sprinten über die ausgestorbene Straße, erreichen die Bar und stoßen die Tür auf. Sofort empfängt uns Krach der allerfeinsten Sorte. Musik, Gelächter und Stimmengewirr. Dazu eine lange Bar mit Hockern, auf denen keiner sitzt, weil jeder im Laden zu tanzen scheint oder zumindest auf der Stelle wackelt. Man kommt sich vor wie in einem Bacardi-Clip.
Rene wirft mir ihre Jacke zu.
»Yippie!«, jubelt sie und steuert auch schon die Tanzfläche an. Nicht dass sie Salsa tanzen kann, aber wie immer, wenn ich mit einer attraktiven Frau irgendwo hingehe, wo Salsa läuft, schafft auch sie es nicht, acht Takte alleine zu sein, bevor ein Latinlover neben ihr auftaucht und ihr seine Dienste anbietet. Zehn Sekunden später schweben sie über die Tanzfläche wie Ginger und Fred.
Renes Tanzlehrer sieht schon fast surreal gut aus, und während er Rene leicht wie eine Feder führt, korrigiert er ihren Körper mal hier, mal da, nutzt die Lage, um ihren Körper abzuchecken, und bringt ihr gleichzeitig das Tanzen bei.
Ich hänge unsere nassen Jacken an die Haken unter der Theke und schaue mich um. Der Laden ist voll, alles ist in Bewegung, weiße Zähne und Gelächter. Manchmal verstehe ich die Komplexe der Skinheads. Vielleicht waren die Glatzen früher ganz normale Jungs, die einfach zu oft in Salsaclubs herumhingen und hüftsteif von der Theke aus zuschauten, wie geschmeidige Ausländer ihren Freundinnen eine Kernschmelze verpassten. Vielleicht sollte man Skinheads das Tanzen beibringen. Es würde ihre Minderwertigkeitskomplexe abbauen, wenn sie sich bewegen könnten wie ein Südamerikaner, und sie hätten weniger Zeit, über Wehrlose herzufallen.
Vor mir materialisiert sich eine Karibikschönheit mit einem Lächeln, so breit wie ein Tourist auf dem Oktoberfest.
»Was kann ich für dich tun?«
Wunderheilung. Flugticket. Zeitmaschine.
»Das Wichtigste hast du schon getan.«
Sie hebt eine Augenbraue.
»Ja?«
»Ich war eben noch in einem Lokal, in dem niemand gelächelt hat, dagegen ist das hier die reinste Wohltat. Danke schön.«
Ihr Lächeln wird ein Stückchen breiter.
»Kann ich sonst was für dich tun?«
Ah, es geht doch nichts über ein kleines Flirtchen mit einem lebendigen Menschen.
»San Miguel, bitte.«
Ohne mich aus den Augen zu lassen, greift sie unter sich, angelt eine Flasche aus dem Kühlschrank, öffnet sie und stellt sie auf eine Serviette.
»Danke.«
»Bitte.«
Sie lächelt noch mal, bevor sie sich umdreht, um einen anderen Durstigen zu bedienen. Ich denke an Eva. Vielleicht lächelt sie in diesem Moment auch irgendjemanden an und denkt dabei an mich. Toll.
Ich lehne mich an die Theke, nippe an der eiskalten Flasche und beobachte meine beste Freundin beim Tanzen. Wenn das noch Tanzen ist. Falls es jemals einen Tanz geben wird, bei dem man ein Kondom tragen muss, wird er definitiv aus der Karibik kommen. Rene strahlt übers ganze Gesicht und wirkt wie eine Frau, die nicht die klitzekleinste Sorge hat. Ich habe schon hundertmal erlebt, was eine Tanzfläche mit ihr macht, aber es ist jedes
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