Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
Angeklagten hinter einer geschlossenen Tür erkannt haben, an der Sie rasch vorüberge gangen sind.»
«Er war es, das sage ich Ihnen. Er war's.»
«Der Wunsch ist wohl der Vater des Gedankens. Sie haben eben ein Vorurteil gegen den Angeklagten.»
«Aber wer soll es denn sonst gewesen sein?»
«Sehen Sie', da haben wir's ja: wer soll es denn sonst gewesen sein? Sie hatten eben nur den Angeklagten im Kopf. Nun sagen Sie mal, Miss MacKenzie, wenn Miss French abends allein war, hat sie doch sicher hin und wieder das Radio angedreht, nicht wahr?»
«Ja, sie interessierte sich sehr für ein gutes Hörspiel.»
«Dann war es doch durchaus möglich, daß das lachen sowie die Männer- und Frauenstimme aus dem Radio kamen. An jenem Abend wurde nämlich zu der Zeit ein Lustspiel gegeben.»
«Es war aber nicht das Radio.»
«Wie können Sie das so eigensinnig behaupten?»
«Weil das Radio gar nicht im Hause war; es wurde repariert»
Sir Wilfrid wurde durch diese unerwartete Antwort ein wenig aus dem Geleise geworfen. Er faßte sich aber schnell und ging unbeirrt zu einem neuen Angriff über.
«Miss MacKenzie, wenn Sie wirklich im Glauben lebten, daß Miss French den Angeklagten heiraten wollte, so muß Sie das doch sehr aufgeregt haben. Dadurch war ja Ihre ganze Lebensweise bedroht; denn der Angeklagte hätte Miss French wahrscheinlich dazu überredet, Sie zu entlassen, nicht wahr?»
«Das hätte meine Herrin wohl nicht getan nach all diesen Jahren. Aber er hätte bestimmt kein Mittel unversucht gelassen. Auf jeden Fall wäre durch ihn alles anders geworden.»
«So etwas kann einen natürlich aus der Fassung bringen.» Sir Wilfrid war die Teilnahme selbst. «Kein Wunder, daß Sie so erbittert gegen den Angeklagten sind!»
Der Staatsanwalt erhob sich mit der recht sarkastischen Bemerkung: «Mein verehrter Herr Kollege hat ja wirklich keine Mühe gescheut, um aus Ihnen das Motiv der Rachsucht zu extrahieren...»
«Eine schmerzlose Extraktion – völlig schmerzlos», warf Sir Wilfrid dazwischen, ohne aufzustehen, aber so, daß die Geschworenen es hören konnten.
Myers ignorierte diesen Zwischenruf und fuhr fort: «Miss MacKenzie, Sie haben durch die geschlossene Tür die Stimme des Angeklagten erkannt, ohne seine Worte verstanden zu haben. Wollen Sie bitte den Geschworenen erklären, wie Sie zu der Überzeugung kamen, daß es seine Stimme war?»
Langsam und nachdrücklich, als habe sie jedes Wort erwogen, antwortete Miss MacKenzie: «Man kann eine Stimme erkennen, auch wenn man nicht versteht, was gesprochen wird.»
Als sie den Zeugenstand verließ, versäumte sie es nicht, dem Richter einen guten Morgen zu wünschen, wodurch sie beim Publikum abermals Heiterkeit auslöste.
Nach ihr wurde Mr. Clegg, ein Assistent am gerichtsmedizinischen Institut von Scotland Yard vernommen. Er bestätigte, daß er den Rock des Angeklagten auf Blutspuren hin untersucht und an einem Ärmel auch einige entdeckt habe.
«Haben Sie festgestellt», fragte Myers, «welcher Gruppe dieses Blut angehört?»
«Ja, es gehört zur Gruppe 0.»
«Hat man Ihnen auch eine Blutprobe von Miss French zur Untersuchung übergeben?»
«Ja. Ihr Blut gehört ebenfalls der Gruppe 0 an.»
Myers überließ den Zeugen dem Verteidiger mit einer Miene, als wolle er sagen: Nun sehen Sie zu, wie Sie mit diesem Burschen fertig werden. Zu seinem großen Erstaunen ließ sich Sir Wilfrid von seinem Partner eine Bescheinigung reichen.
«Ich habe hier ein Attest, das besagt, daß Leonard Vole Blutspender am Nord-Londoner Krankenhaus ist und ebenfalls der Blutgruppe 0 angehört. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat der Angeklagte sich geschnitten. Das Blut an seinem Ärmel könnte also ebensogut aus seiner eigenen Wunde stammen, nicht wahr?»
«Das ist durchaus möglich», gab Mr. Clegg zu, und mit dieser Antwort wurde dem Staatsanwalt der Wind aus den Segeln genommen.
Nun ließ der Staatsanwalt die Zeugin Romaine Heilger rufen. Als diese den Zeugenstand betrat, erhob sich ein lautes Gemurmel im Saal, so daß der Gerichtsdiener gezwungen war, die Anwesenden zur Ruhe zu ermahnen. Die Zeugin legte den Eid ab, und durch die ersten Fragen stellte der Staatsanwalt heraus, daß sie zwar eine Ehe mit dem Angeklagten geschlossen hatte, daß diese Ehe aber ungültig war, da ihr erster Mann, von dem sie nicht geschieden war, zu der Zeit noch lebte. Als Beweis legte der Staatsanwalt dem Richter einen Trauschein vor, aus dem hervorging, daß am 18. April 1946 in
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