Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
indem Sie hierherkamen und gegen ihn aussagten.»
«Ich muß doch die Wahrheit sagen!»
«Ist es aber die Wahrheit?» fragte Sir Wilfrid wütend.
«Ja.»
«Ich warne Sie um Ihrer selbst willen, wenn Ihnen das Schicksal des Angeklagten auch gleichgültig ist. Die Strafe für Meineid ist schwer.»
Hier legte sich Myers ins Mittel. «Mylord, ich weiß nicht, ob diese theatralischen Ausbrüche die Geschworenen beeindrucken sollen, aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß kein Grund vorliegt, die Glaubwürdigkeit der Zeugin anzuzweifeln.»
«Mr. Myers», erwiderte der Richter, «es geht hier um Leben und Tod, und da möchte ich der Verteidigung, soweit es angängig ist, jeden Spielraum lassen. Bitte, Sir Wilfrid.»
Durch eine Reihe geschickter Fragen verwickelte Sir Wilfrid die Zeugin in Widersprüche, als er sie über die Blutspuren am Ärmel verhörte.
«Vielleicht ist Ihr Gedächtnis in bezug auf andere Teile Ihrer Geschichte ebenso unzuverlässig. Ursprünglich haben Sie der Polizei gesagt, daß Leonard Vole sich beim Schinkenschneiden verletzt habe und das Blut am Ärmel daher stamme. Warum haben Sie damals gelogen?»
«Ich habe gesagt, was Leonard mir aufgetragen hatte.»
«Und sogar das Messer gezeigt, mit dem er den Schinken geschnitten hatte, wie?»
«Als Leonard die Blutflecke am Ärmel entdeckte, hat er sich absichtlich einen Schnitt beigebracht, um den Anschein zu erwecken, daß das Blut von ihrn selbst stamme.»
«Das habe ich nicht getan!» rief der Angeklgte dazwischen. Sobald sich dieser wieder beruhigt hatte, fuhr Sir Wilfrid fort: «Sie geben also zu, daß Ihre ursprüngliche Aussage der Polizei gegenüber ein Gewebe von Lügen war. Sie scheinen eine vortreffliche Lügnerin zu sein. Man fragt sich nur: Haben Sie damals gelogen, oder lügen Sie jetzt? Wenn sie wirklich so entsetzt darüber gewesen wären, daß ein Mord begangen worden war, warum haben Sie da nicht schon bei Ihrer ersten Vernehmung die Wahrheit gesagt?»
«Ich hatte Angst vor Leonard.»
Sir Wilfrid wies auf die zusammengesunkene Gestalt auf der Anklagebank: «Sie hatten Angst vor Leonard Vole – Angst vor dem Mann, dem Sie soeben durch Ihre Aussage das Herz gebrochen und allen Lebensmut genommen haben? Ich denke, die Geschworenen werden wissen, wem sie mehr Glauben schenken sollen.»
Der Staatsanwalt wandte sich an den Richter: «Mylord, die Beweisaufnahme der Anklage ist abgeschlossen.»
Nun hielt Sir Wilfrid eine kurze Ansprache an den Richter und die Geschworenen. Er betonte, daß der Indizienbeweis gegen den Angeklagten sehr belastend sei, und erwähnte lobend die unparteiischen Aussagen der Polizei und der Sachverständigen. Jedoch warnte er davor, den Aussagen der Haushälterin Janet MacKenzie und der Frau, die sich bisher Romaine Vole genannt habe, allzu große Bedeutung beizumessen. «Meine Damen und Herren, glauben Sie etwa, daß diese Zeuginnen in ihren Aussagen vorurteilsfrei gewesen sind? Janet MacKenzie, die durch das neue Testament ihrer Herrin ein Vermögen verloren hat, weil ihr Platz durch diesen unglückseligen jungen Mann ohne sein Dazutun eingenommen worden war... Romaine Vole oder Heilger – wie sie sich auch nennen mag -, die ihn in eine Heirat lockte, wobei sie ihm verheimlichte, daß sie schon verheiratet war. Diese Frau schuldet ihm mehr, als sie je wiedergutmachen kann. Sie benutzte ihn nur als Mittel zum Zweck. Er sollte sie lediglich vor politischer Verfolgung retten: Sie hat ja gestanden, daß sie ihn niemals liebte. Nun hat er seinen Zweck erfüllt .Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, ihre Aussage sehr sorgfllltig zu prüfen – die Aussage einer Frau, der wahrscheinlich die verderbliche Doktrin eingeimpft worden ist, daß die Lüge eine Waffe sei, die man jederzeit zu seinem eigenen Vorteil anwenden dürfe. Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Angeklagten, Leonard Vole, auf...»
Leonard Vole, der sich inzwischen wieder gefaßt hatte, ging festen Schrittes zum Zeugenstand und legte den Eid ab.
In dem nun folgenden Verhör gab Sir Wilfrid dem Angeklagten Gelegenheit, vor Gericht das zu wiederholen, was er ihm im Verlauf ihrer ersten Unterredung gesagt hatte. Zum Schluß fragte er ihn: «Sie haben die Aussage der Frau gehört, die Sie bis jetzt als Ihre Frau ansahen...»
«Ja.» erwiderte Vole erregt, «und ich kann nicht verstehen...»
Sir Wilfrid fiel ihm ins Wort: «Ich weiß, daß Sie das alles sehr aufgeregt hat Aber ich bitte Sie, alle Gefühle auszuschalten und meine
Weitere Kostenlose Bücher