Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
Verhandlungstag, der die Urteilsverkündung bringen sollte.
Sobald alles im Gerichtssaal versammelt war, klopfte der Gerichtsdiener dreimal an die Tür des Richters und forderte alle Anwesenden auf, sich von den Plätzen zu erheben. Als der Richter den Saal betrat, verkündete der Gerichtsdiener: «Wer vor dem Königlichen Gerichtshof zum Zwecke der Rechtsprechung noch etwas vorzubringen hat, der trete vor und bezeuge dem hohen Gericht seine Achtung. Gott schütze die Königin.»
Nachdem alles wieder Platz genommen hatte, erhob sich Sir Wilfrid und bat den Richter um Erlaubnis, die Zeugin Romaine Heilger noch einmal vernehmen zu dürfen, da ihm nach Schluß der gestrigen Verhandlung äußerst wichtiges Beweismaterial in die Hände gefallen sei, woraufhin Staatsanwalt Myers aufsprang und heftig dagegen protestierte. Der Richter wies ihn mit ruhiger Sachlichkeit zurecht und gab Sir Wilfrid das Wort, der sofort einen Präzedenzfall zitierte. Der Richter erkundigte sich dann, worum es sich bei diesem neuen Beweismaterial handle.
«Um Briefe, Mylord, Briefe, die Mrs. Heilger geschrieben hat.»
Der Richter wünschte die Briefe zu sehen. Sie wurden ihm gereicht, und er begann zu lesen.
Myers stand wieder auf: «Da mein Herr Kollege mich eben erst von dieser Sache unterrichtet hat, hatte ich keine Gelegenheit, etwas darüber nachzuschlagen. Aber es schwebt mir da ein Fall vor, ich glaube aus dem Jahre 1930, das Verfahren gegen Porter...»
«Nein, Mr. Myers», erwiderte der Richter, «es war das Verfahren gegen Potter, und es war im Jahre 1931. Ich erinnere mich sehr gut daran; denn ich war damals Staatsanwalt.»
«Und wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, so erhoben Sie einen ähnlichen Einspruch, Mylord, und dieser wurde angenommen.»
«Ihr Gedächtnis täuscht Sie aber leider, Mr. Myers. Mein Einspruch wurde damals von Richter Swindon abgelehnt wie Ihrer jetzt von mir.»
Während Romaine Heilger in den Zeugenstand gerufen wurde, machten sich bei dem Angeklagten deutliche Zeichen der Aufregung bemerkbar, und Mr. Mayhew sah sich veranlaßt, ihm beschwichtigend zuzureden.
Sir Wilfrid erinnerte Mrs. Heilger zunächst daran, daß sie noch unter Eid stehe, und fragte dann: «Mrs. Heilger, kennen Sie einen Mann, dessen Vornamen Max ist?»
Bei der Erwähnung dieses Namens fuhr sie heftig zusammen, erklärte aber in der nächsten Sekunde ganz gelassen: «Ich habe niemals einen Mann namens Max gekannt .Nie in meinem Leben.»
«Und doch ist es in Ihrem Lande kein seltener Name. Haben Sie tatsächlich nie einen Max gekannt?»
«Ach so, in Deutschland – ja – vielleicht. Ich kann mich nicht entsinnen. Es ist schon lange her.»
«So weit brauchen Sie nicht zurückaudenken. Ein paar Wochen genügen. Sagen wir mal...» - hier zog er einen Brief hervor und faltete ihn umständlich auseinander – «bis zum 17. Oktober dieses Jahres.»
«Was haben Sie denn da?» fragte Romaine, sichtlich bestürzt
«Einen Brief. Einen Brief, den Sie am 17. Oktober an einen Mann namens Max geschrieben haben.»
«Das ist erlogen. Ich habe einen solchen Brief nie geschrieben. Ich weiß überhaupt nicht, was Sie damit bezwecken wollen.»
«Dieser Brief ist nur einer von vielen, die Sie während einer beträchtlichen Zeitspanne an diesen Mann geschrieben haben.»
«Lügen – weiter nichts als Lügen!» rief die Zeugin erregt. Sir Wilfrid warf ihr einen vielsagenden Blick zu. «Anscheinend unterhielten Sie zu diesem Mann intime Beziehungen.»
«Wie können Sie so etwas behaupten?» fuhr der Angeklagte dazwischen. «Das ist nicht wahr!»
Der Richter ermahnte ihn, in seinem eigenen Interesse zu schweigen.
«Aber», fuhr Sir Wilfrid fort, «der allgemeine Inhalt dieser Briefe geht mich nichts an. Ich interessiere mich im besonderen nur für einen Brief. Der fängt an: ‹Mein geliebter Max. Es ist etwas ganz Unwahrscheinliches passiert . Ich glaube, alle unsere Schwierigkeiten werden jetzt ein Ende haben.›»
«AIles erlogen!» tobte die Zeugin. «Ich habe den Brief nicht geschrieben. Woher haben Sie den überhaupt? Wer hat ihn Ihnen gegeben?»
«Das tut nichts zur Sache.»
«Sie haben ihn gestohlen. Sie sind nicht nur ein Lügner, sondern auch ein Dieb. Oder hat eine Frau Ihnen diesen Brief gegeben? Ich habe recht, nicht wahr?»
«Vorläufig haben Sie nur den Anfang des Briefes gehört. Leugnen Sie nach wie vor, ihn geschrieben zu haben?»
«Natürlich habe ich ihn nicht geschrieben. Er ist gefälscht. Es ist unerhört, daß
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