Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)
Pfund. Montags glauben wir das ganz fest.
Wir kriechen über den Bürgersteig. Wir fühlen uns wie Schildkröten mit viel zu großen Panzern. Wir ruhen uns beim Gehen aus und lehnen uns an Poller oder Parkschilder. Der Weg zum Hort scheint unendlich lang.
Zum Glück kommen wir an unserem Spezialcafé vorbei. Hier gibt es immer eine Stärkung. Das Café hat besonders tolle Kellnerinnen. Alles Schülerinnen und Studentinnen. Und alle bedienen am liebsten Kinder.
Wir gehen rein und holen uns unsere täglichen Erfrischungen: Ich nehme eine Scheibe Zitrone. Lina, Hilmar und Gereon bestellen einen Eiswürfel. In der Mitte hat das Eis ein Loch, und man kann es auf den Finger stecken. Wir lutschen unsere Spezialitäten genüsslich auf unserer Marathon-Strecke.Und – verrückt, verrückt – der Weg wird dadurch irgendwie kürzer.
Sommer, Eis und Zitrone, das gehört zusammen. Bei Hitze kühlt das Eis wunderbar die Zunge. Und die Zitrone zieht die Haut zusammen, sodass man sich im Gesicht ganz schlank fühlt.
Wonderful!, würde meine Mutter sagen.
Den lecker-sauren Geschmack möchte ich behalten. Für immer. Aber im Hort gibt es gleich Mittagessen. Zwei Frauen kochen jeden Tag.
Frauen sind überall. Und überall reden sie, in allen Zimmern, in der Küche, bei allen Gelegenheiten. Viel mehr als meine Mum. Die telefoniert nur. Sie sagen uns den ganzen Tag, was wir machen sollen, was erlaubt ist, was wir lassen sollen, was gut und was schlecht ist.
Ben würde sich hier wie zu Hause fühlen.
Ich bin das nicht gewohnt, denn meine Mutter lässt mich ziemlich in Ruhe. Manchmal wünsche ich mir, dass sie öfter zu Hause wäre, damit wir mehr zusammen sein können. Und manchmal wünsche ich mir sogar, dass sie mir was verbietet, denn es wäre bestimmt spannend, sich mal mit ihr zu streiten. Ich würde nur Deutsch reden und sie bestimmt Englisch. Das macht sie nämlich meistens, wenn sie aufgeregt ist.
Wir finden Streiten doof. Meine Mutter will das nicht, weil sie das jüngste von fünf Kindern war und früher immer verloren hat. Und ich kenne Streit vom Fußball. Bei jedem Spiel muss man Lösungen suchen und sich vertragen. Wer von uns beiden würde wohl zuerst schlappmachen und nachgeben?
Keine Ahnung.
Nach Hausaufgaben und Hort geht mein richtiges Leben los: Fußballtraining mit Hilmar. Tennis. Schlagzeugunterricht. Nachmittage im Park. Oder einfach nur Ben treffen. Das ist aber selten. Denn ich bin genau wie alle anderen ziemlich beschäftigt.
Gereon hat zweimal in der Woche Yoga, weil sein Rücken ein bisschen krumm ist. Einmal bin ich mitgegangen. Superdoof. Man muss still sitzen und sich konzentrieren, das ist viel anstrengender als laufen und trainieren.
Lena geht dreimal in der Woche zum Ballett und einen Tag zum Chor.
Ben geht nirgendwohin. Ben muss gar nichts. Außer immer gleich nach Hause. Da wartet seine Mutter. Jeden Tag. Manchmal hält sie es ohne Ben nicht aus und holt ihn direkt nach der letztenStunde ab. Das nervt uns vielleicht. Ben wird dann sauer, und ich finde das auch richtig blöde.
Sie benutzt Ausreden – »Och, ich kam hier gerade vorbei« oder: »Wir müssen in die Stadt, eine Hose/Hemd/Jacke/Brot kaufen«.
Ich kann Ausreden nicht leiden. Irgendwie spürt man doch, dass es Lügen sind. Und Mütter dürfen nicht lügen.
Manchmal gehen Ben und ich nach der Schule zusammen nach Hause. Dann haben wir den meisten Spaß. Wir sammeln nämlich leere Bierflaschen, weil wir mit dem Geld eine süße Tüte kaufen wollen. Pfandgeld lohnt sich. Das haben Erwachsene auch schon gemerkt. Im Park und am Rhein habe ich Jonas’ Vater gesehen. Seitdem die Tankstelle bei uns um die Ecke zugemacht hat, findet er keine neue Arbeit. Er fährt mit dem Fahrrad hin und her. An Lenkstange und Gepäckträger hat er Körbe montiert, da steckt er die leeren Flaschen rein. Er schaut in alle Mülleimer. Es sieht ein bisschen aus wie zufällig.
Meine Mutter hat mir erklärt, dass ihm das bestimmt peinlich ist. Weil er hier wohnt und die Leute ihn von früher kennen. Und seine Familie kennen sie. Und weil er sicher lieber arbeiten würde, statt die leeren Flaschen aufzuheben.
Aber er verdient Geld damit, denn Jonas hat die gleichen Turnschuhe wie ich, den gleichen Tornister wie Ben und das gleiche Fahrrad wie Hilmar.
Ich würde gerne wissen, wie viele Flaschen er jeden Tag zum Kiosk bringt.
Ben und ich sind auf dem Heimweg. Wir schleppen uns über den Kinderspielplatz Richtung Park.
Gestern war
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