Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)
stehen und schließe die Augen. So kann ich den Geschmack richtig genießen.
Auf der anderen Straßenseite hat der Gemüsehändler schon seine Regale aufgebaut. Er steht bestimmt noch früher auf als ich. Meine Mum sagt, er fährt morgens zum Großmarkt, um das beste Obst einzukaufen.
Ich glaube, der mag mich auch.
»Günaydin, Fritz, schöner Arbeitstag«, ruft er mir jeden Morgen zu, und dann wirft er mir einen Apfel oder eine Apfelsine quer über die Straße bis auf meine Seite. Der kann super werfen. Er sagt, er hat früher Handball im Wassergespielt. Das nennt man dann wohl Wasserball. Als er ein Junge war, wohnte er am Schwarzen Meer und konnte das jeden Tag üben.
»Danke, Herr Özgul«, rufe ich ihm zu. »An apple a day keeps the doctor away.« Das ist so ein Spruch von meiner Mum.
»Jawoll!«, sagt er lachend. »
Çok buluş
!«
Keine Ahnung, was das bedeutet. Ich verstehe kein Türkisch, und er versteht kein Englisch. Wir lachen uns an. Ich winke ihm und gehe zur Schule.
So ist das jeden Tag.
Warum beeilt Ben sich nicht?, denke ich und stoße mit dem Fuß ganz leicht gegen den Zwerg an der Schubkarre. Der Doofi-Zwerg steht zwischen den Blumen, bewegt sich keinen Millimeter und glotzt. Ich glotze zurück.
Eigentlich wünsche ich mir mehr Zeit für Ben. Aber ich bin immer ausgebucht. Meine Woche ist rappelvoll. Von Montag bis Sonntag ist bei mir ganz schön was los. Jeden Tag Schule. Jeden Tag Termine. Termine nach den Terminen. Termine vor den Terminen.
Willst du Manager werden?, hat Oma mich gefragt.
Ich werde Man in Black, Oma!, habe ich geantwortet.
Schon wieder weg?, lachte sie darauf hin und drückte mir die Hand zum Abschied. Ich wollte noch gar nicht gehen.
Sie hört wirklich nicht gut.
Mein Opa sagt, meine Oma ist eine taube Nuss, aber er hört noch die Flöhe husten. Dabei lacht er. Er meint das nicht böse.
Ich kann supergut hören. Wie Opa. Aber ich höre immer noch keinen Ben.
Ich sitze schon gefühlte drei Stunden auf der Treppe.
Doofe Autos. Doofes Zählen. Doofes Warten.
Der freie Nachmittag kriecht in die Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Ich starrre auf den Boden und glaube, dass ich das Gras wachsen sehe.
Ben will doch unbedingt Tennis lernen. Das ist ein Geheimnis. Das ist der Grund für unsere Verabredung.
Ich drehe mich um. Die Tür bleibt zu.
Die Zwerge glotzen.
Die Zeit in meinem Kopf steht fast still und dabei rast sie. Wie kann das sein? Das macht mich alles voll nervös. Meine Füße trampeln von selberauf und nieder. Ich stehe auf und setze mich auf die Mauer. Jetzt schaukeln meine Beine. Hin und her und hin und her.
Ich weiß, dass so ein Nachmittag nicht ewig dauert. Ben muss nämlich immer früh nach Hause. Und – ein freier Nachmittag in meinem Leben ist eine Ausnahme. Heute ist zum Beispiel Mittwoch, und Mittwoch bedeutet Fußballtraining. Und ich habe nur frei, weil mein Trainer Schnupfen und Husten und Fieber hat.
Meine freie Zeit ist reserviert für Ben. Der sich übrigens jeden Tag mit mir verabreden könnte. Ein Freund, der immer Zeit hat, das ist toll. Der Grund dafür ist nicht toll.
Die Haustür quietscht. Ich fasse es nicht: Da steht er. Endlich!
Ich springe auf vor Freude, aber Ben sieht aus wie schlechte Laune.
»Hi!«, sagt er sehr knapp.
In der Tür erscheint seine Mutter und winkt uns mit einem lauten »Tschööö, Kinder« und dem Überlebenstipp: »Geht nicht so weit weg, und Ben, pass auf, wenn du auf das Klettergerüst steigst und …«
Wir winken zurück und machen dabei viele kleine Schritte, damit sie nicht merkt, wie schnell wir wegwollen. Die Stimme von Bens Mutter wird immer leiser, und der Wind zerfetzt die Sätze und verschluckt die Wörter. Ich denke an Zuckerwatte. Die habe ich auf der Kirmes gegessen. Die löst sich mit Spucke zusammen im Mund auf. Wie Silkes Wörter im Wind.
Als wir nichts mehr hören und die Mutter nur noch ein Rote-Bluse-Punkt im Vorgarten ist, sagt Ben: »Meine Mutter nervt! Ich musste unbedingt ihren neuen Schokokuchen probieren.«
Bei dem Schokokuchenwort läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich denke: Hm, lecker.
»An einem stinknormalen Mittwoch?«, frage ich.
Mein bester Freund nickt. Ich kann es nicht glauben und beneide ihn ein bisschen.
Wie schön, dass deine Mutter immer da ist und Kuchen backt, will ich sagen. Aber dann fällt mir ein, dass das gar nicht schön ist, denn Bens Mutter schwirrt um ihn herum wie eine Fliege um einen frischen,
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