Die besten Freunde meines Lebens - Roman
dass sie alle hingingen. Als sich dann auch noch Mona auf Jos Seite schlug, hatte Lizzie endlich nachgegeben.
Alles war wie immer. Die zwei Meter fünfzig hohe Norwegische Tanne. Der farbenfrohe, bunt zusammengewürfelte Christbaumschmuck, der den Eindruck erweckte, der Baum wäre von kleinen Kindern dekoriert worden – was in diesem Jahr tatsächlich zutraf. Bunte Lichterketten, wohin man schaute. »Fairytale of New York« aus dem Lautsprecher des iPods.
Es war eines von Niccis Lieblingsweihnachtsliedern gewesen. Jo schluckte und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie würde nicht weinen. Sie würde dieses Fest ohne Weinen überstehen, und wenn es sie umbrachte.
Alles ist wie immer, wiederholte sie im Stillen.
Außer natürlich, dass Nicci nicht da war. Und Gerry nicht. Obwohl Nicci dagegen sicher nichts einzuwenden gehabt hätte.
Jo war froh, dass David davon abgesehen hatte, Lynda einzuladen. Anfangs hatte er das nämlich vorgehabt.
»Das kannst du nicht machen«, hatte sie gesagt, als er sie anrief, um schon einmal vorzufühlen. »Vielleicht nächstes Jahr, okay?« Er hatte sich sofort umstimmen lassen, als wäre er selbst erleichtert darüber.
»Was kann ich tun?«, fragte sie nun, als sie die Küche betrat und sich von David ein Glas Glühwein in die Hand drücken ließ. »Kartoffeln schälen? Sprossen waschen? Füllung vorbereiten?«
»Alles unter Kontrolle«, sagte Mona, die wieder mal hinreißend aussah. Sie trug ein schwarzes Wickelkleid und die hochhackigen Stiefeletten, die sie zuletzt auf Niccis Beiset zung getragen hatte. Auch ihre Frisur passte zu dem schicken Outfit. »David hat die ganzen Vorarbeiten gemacht und ich danach den Rest. Er muss in aller Herrgottsfrühe aufgestanden sein …«
»Um sechs«, warf David ein.
So siehst du auch aus, dachte Jo. Geschlaucht wäre noch untertrieben.
»Hätte ich den Mädchen ihren Willen gelassen, wäre ich noch früher aufgestanden. Du kannst ihnen ein Geschenk geben, Jo, wenn du magst.« David schob seine Töchter mit etwas zu viel Begeisterung in Jos Richtung. »Sie leiden an Geschenkentzug. Das letzte Geschenk muss jetzt, oh, zwanzig Minuten her sein.«
»Geschenke!«, kreischten die Mädchen und rannten an Jo vorbei.
»Und wir?«, rief Sam. »Kriegen wir auch ein Geschenk? Ich kann es kaum erwarten. Mum gibt uns unsere Strümpfe nämlich erst morgen«, erklärte er Mona.
»Fall ja nicht darauf herein. Er will nur dein Mitleid erregen.« Jo zauste Sam durch das Haar. »Die beiden haben heute früh jeder ein Geschenk bekommen.«
»Aber das waren Bücher «, jammerte Sam.
»Hey, wenn es Geschenke gibt, dann bin ich dabei«, sagte Dan, der offenbar mehr von seiner Umwelt mitbekam, als seine Kopfhörer vermuten ließen.
»Ich verteile mal eben die Getränke.« Das Tablett mit den restlichen Gläsern Glühwein in den Händen, ging David in die Diele hinaus.
»Ich sehe mich kurz im Garten um, wenn das für euch okay ist.« Lizzie, die bis jetzt geschwiegen hatte, nahm sich ein Glas vom Tablett und eilte damit hinaus.
Jo und Si sahen sich vielsagend an. »Auf mich brauchst du nicht sauer zu sein«, murmelte Jo, als sie Tom und Sam ins Wohnzimmer scheuchten. »Ich kann nichts dafür.«
»Das weiß ich.« Si gab ihr einen Kuss. »Aber ich finde, du solltest damit aufhören, sie ständig in Schutz zu nehmen.«
Jo setzte zu einem Protest an, doch Si kam ihr zuvor.
»Inzwischen hat mich David schon drei Mal angerufen und gefragt, ob ich Lizzie gesehen hätte. Ein viertes Mal werde ich ihn nicht belügen«, flüsterte Si. »Ich will verdammt noch mal wissen, was da los ist. Du nicht?«
Anscheinend flüsterte er nicht leise genug, denn Mona nickte zustimmend.
»Das will ich auch«, sagte sie. »Lynda meint …«
Jo blickte aus dem Fenster und sah, wie Lizzie zum Schup pen ging. Ihr Haar leuchtete in dem diffusen Licht, und sie war in die weite Strickjacke von Stella McCartney gehüllt, die Jo und Si ihr heute Morgen geschenkt hatten.
Sie wirkte verloren und einsam. Durch den Kummer hatte sie etliche Pfunde verloren. Liebeskummer war es wohl nicht, da Lizzie diejenige war, die auf einer Trennung bestanden hatte. Und soweit Jo es beurteilen konnte, hatte sie das bisher auch überhaupt nicht bereut.
»Lyndas Meinung interessiert mich im Moment herzlich wenig«, sagte Jo zu Mona. »Mich interessiert vielmehr, warum Lizzie nach wie vor nicht will, dass wir David von der Trennung erzählen.«
»Überleg dir einen Wunsch«, sagte David
Weitere Kostenlose Bücher