Die besten Freunde meines Lebens - Roman
alles so passiert, wie sie es sich in den Kopf gesetzt hat.«
Vielleicht war er derjenige, der zum Trauertherapeuten gehen sollte. Durfte man auf seine Frau wütend sein, weil sie einem einfach weggestorben war? Sie hatte das Haus gewollt, sie hatte Kinder gewollt, sie hatte die Firma gewollt, sie hatte das Leben mit ihm gewollt. Und dann war sie aus allem ausgestiegen. Durfte er deshalb wütend sein? Denn das war er. So wahnsinnig wütend, dass er, wenn er darüber nachdachte, jedes Mal heulen musste.
»Meinen Garten hat sie Lizzie vermacht, meine Kinder dir und mich – ihren Mann – Mona. Scheiße, Jo! Ernsthaft, was hat sie sich verdammt noch mal dabei gedacht?«
Jo zog das Ende einer Bank hervor, setzte sich neben David, legte ihm den Arm um die Schultern. Und spürte eher, als dass sie es hörte, wie er zu schluchzen begann. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Also hielt sie ihn einfach nur fest und ließ ihn weinen.
Im Haus herrschte nun Stille, nur noch die Geräusche, wie sie alte Häuser von sich geben, waren zu hören: Rohre krachten beim Heizen und Kühlen, Dielenbretter stöhnten unter der Erinnerung an vergangene Schritte. Jo hatte eine Runde durch das Haus gemacht und die zahllosen Lampen und elektrischen Geräte ausgeschaltet, ehe sie in die Küche zurückkehrte, um ihre Tasche zu holen.
»Werdet ihr jetzt wieder regelmäßig kommen?«, fragte David. »Ihr drei? Und Si und Gerry und Dan? Ihr wollt mit dem gemeinsamen Sonntagsbraten doch nicht aufhören, oder?«
»Davon können uns keine zehn Pferde abhalten«, erwiderte Jo. »Bei Mona bin ich mir allerdings nicht sicher.«
Sie lächelte, um zu zeigen, dass ihre Worte scherzhaft gemeint waren, worauf David sich folgsam zu einem Lachen zwang.
Nachdem Jo gegangen war, wählte David sicher schon zum fünften Mal seit Tagen die 1471, nur um wieder dieselbe Nachricht zu erhalten: Rufnummer unterdrückt . Egal, was David vorhin auch behauptet hatte, er glaubte nicht daran, dass es sich bei den Anrufen um ein Callcenter oder eine Störung handelte. In seinen dunkelsten Nächten überfiel ihn die Angst, dass Nicci ihm womöglich mehr verheimlicht hatte, als er sich vorstellen konnte. Dass sie – er konnte sich kaum zu dem Gedanken durchringen – eine Affäre gehabt hatte. Nein, so etwas hätte sie nicht getan. Nicht seine Nicci.
Um den inneren Aufruhr zu beruhigen, setzte sich David hin und lauschte der Stille. Unzählige Male hatte er sich nach dieser Stille gesehnt. Tja, jetzt hast du sie, dachte er. Da ist sie. Gewöhn dich mal lieber daran.
Draußen quälte die Tigerkatze des Nachbarn ein kleines Nagetier zu Tode; ein Wagen fuhr an der Einmündung der Straße vorbei, die Musik so laut aufgedreht, dass David beinahe den Text verstehen konnte; Teenager grölten auf ihrem Heimweg aus der Innenstadt. David zwang sich, auf all das zu lauschen.
Plötzlich flammte der Bewegungsmelder auf, ausgelöst durch ein kleines Tier, das den Garten als Abkürzung benutzte. Fast April, und immer noch war die Erde kalt und nackt, das Gras struppig, die Beete ungepflegt und vernachlässigt, die verrottenden Überreste des letztjährigen Laubs noch dort, wo sie hingefallen waren. So war es schon seit Monaten.
Als die Lichter des Bewegungsmelders sich nach zwei Minuten wieder abschalteten, war David dankbar. Es war ihm vorgekommen, als hätte er einen Blick in sein Inneres getan und dort nur Brachland gefunden.
10. Kapitel
Das sonntägliche Treffen fand nicht statt. David hatte gewusst, dass es so kommen würde.
»Es ist wegen Mona, stimmt’s?«, fragte er, als Jo ihn am nächsten Freitag anrief und vorschlug, das Treffen zu verschieben. »Sie will nicht.«
»Nein«, entgegnete Jo. »Es ist wegen Lizzie. Irgendwas mit ihrer Mutter. Sie muss ins Pflegeheim fahren und mit dem Personal sprechen.«
»Was ist mit ihrer Schwester?«, fragte David, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Was soll schon mit ihr sein?« Jos Achselzucken war beinahe hörbar. Lizzies Schwester Karen lebte in den Staaten und glänzte meist durch Abwesenheit, insbesondere, wenn es ein Problem mit ihrer Mutter gab.
»David, es gibt wirklich keinerlei Hintergedanken. Kein Mensch will dir aus dem Weg gehen. Nicht einmal Mona. Lizzie muss nach Croydon fahren, und sie weiß nicht, wie lange es dauern wird. Aber den nächsten Sonntag, Ostersonntag, können wir fix machen. Natürlich nur, wenn du Zeit hast. Ich werde einkaufen, Lizzie wird kochen. Du besorgst den Alkohol. Und Mona
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