Die besten Freunde meines Lebens - Roman
ab, als wäre es ihres. Angesichts des Ausdrucks, der über Davids Gesicht huschte, formte sie mit den Lippen ein lautloses Entschuldigung und reichte den Hörer an ihn weiter.
Er schüttelte den Kopf.
»Hallo?«, sagte sie und wartete. »Hallo?«
»Niemand dran«, erklärte sie schließlich achselzuckend. »Scheint sich verwählt zu haben.«
»Das ist komisch«, bemerkte David. »In letzter Zeit hatte ich einige dieser Anrufe. Ich habe mich schon gefragt, ob es ein Callcenter ist oder irgendein technisches Problem. Wie auch immer«, fügte er hinzu, während er zusah, wie sie in seiner Küche herumhantierte, als wäre es ihre eigene, »ich nehme dir nicht ab, dass du zufällig vorbeigekommen bist. Was soll das sein? Das Projekt Wir-kümmern-uns-um-David oder etwas in der Art?«
»Spielt das eine Rolle?«, erwiderte Jo.
David gab keine Antwort. Stattdessen wartete er, dass sie sich wieder zu ihm umdrehte. Er hatte sich schon gefragt, wann sie kommen würde. Und er hatte gewusst, dass von den Freundinnen Jo diejenige sein würde. Lizzie wurde von diesem Idioten, den sie geheiratet hatte, viel zu sehr in Beschlag genommen, um sich freiwillig zu so einer Aktion zu melden. Und Mona – die Außenseiterin, wie seine Mutter sie nannte – war ans andere Ende der Welt gereist, um ihrer Familie zu entkommen, und dann wieder zurückgekehrt, um ihrem untreuen Ehemann zu entfliehen. Und der arme Dan, der lebende Beweis für diese Ehe, hatte seinen kleinen Rucksack gepackt und war mit ihr gekommen.
Nein, wenn es um heikle Dinge ging, war immer Jo diejenige, die sich anbot.
»Du weißt Bescheid, oder?«, sagte Jo, nachdem sie die Zubereitung des Tees so lange wie möglich hinausgezögert hatte.
Bescheid worüber?, hätte David gern gesagt. Doch er hatte dazu nicht die Energie.
»Natürlich weiß ich Bescheid .«
Er unterdrückte seine aufsteigende Wut. Jo konnte nichts dafür. Sie wäre niemals auf einen so aberwitzigen Einfall gekommen: vier Briefe, das Leben in vier Stücke aufgeteilt wie ein Kuchen. Nein, es gab nur einen Menschen, dem so etwas einfallen konnte.
Sicher, Jo hatte Nicci jahrelang eine Sonderstellung eingeräumt. Genau wie er. Seit er sich in diesen wasserstoffblonden Kobold verliebt hatte, hatte er jede ihrer Marotten unterstützt.
»Was ist?«, fragte Jo.
David schüttelte den Kopf. »Nichts.« Wie sollte man das erklären, wenn es einem gerade vor Kummer das Herz zerriss?
Nicci war schon seit zehn Jahren nicht mehr wasserstoffblond, doch die Erinnerung an ihre erste Begegnung war in sein Hirn eingebrannt. So sah er sie vor sich, wenn er an sie dachte. Noch heute fühlte er sich schlecht, weil er Lizzie als Kontaktperson benutzt hatte. Aber von dem Moment an, als Nicci auf der Party erschienen war, hatte er – wie in einem schwachsinnigen Liebesfilm – gewusst, dass sie die Richtige war, und hätte alles getan, um sie für sich zu gewinnen.
»David?« Jo stand nun vor ihm. »Alles okay? Ich meine, ich weiß, du bist …«
»Alles klar«, sagte er. »Ich denke nur nach.«
»Sie hat dir also von den Briefen erzählt?«, fragte Jo unumwunden. »Sich mit dir abgesprochen?«
»Meinst du, ich habe mir Mona ausgesucht?« Trotz seiner Verwirrung, der Abscheu und des Kummers spürte David, wie sein Zorn sich erneut Bahn brach.
Jo trat einen Schritt zurück. Es geschah instinktiv, unwillkürlich. »Ich fasse das als Nein auf.« In ihrer Stimme schwang Mitgefühl.
»Tut mir leid. Ich wollte nicht …« Schlagartig legte sich Davids Zorn wieder. Er zog einen Stuhl hervor, setzte sich an den Küchentisch und vergrub das Gesicht in den Händen. »Nein, Jo, sie hat es mir nicht erzählt. Hat es nicht mit mir abgesprochen. Sie hat mir zwei Briefe hinterlassen. Im ersten wies sie mich an, euch die Briefe zu bringen; im zweiten, den ich anschließend lesen sollte, teilte sie mir mit, was sie beschlossen hatte. Dass sie meine Zukunft geplant hatte. Weil sie mir das allein nicht zutraute. Wie ein Idiot habe ich getan, worum sie mich gebeten hat. Es kam mir gar nicht in den Sinn, es nicht zu tun.«
»So darfst du das nicht sehen«, sagte Jo besänftigend. »Nicci hat dich vergöttert. Sie hat uns alle geliebt. Sie hat sich einfach nur Sorgen gemacht, wie es weitergehen würde, wenn sie … wenn wir uns in der Situation wiederfinden, in der wir jetzt sind.«
»Mag sein.« David hoffte, dass Jo in seiner Stimme keine Bitterkeit hören konnte. »Oder vielleicht wollte Nicci einfach sicherstellen, dass
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