Die besten Freunde meines Lebens - Roman
kann irgendwelche fertig abgepackten Desserts mitbringen.«
Damit musste er sich zufriedengeben. Und er hatte auch Verständnis dafür; schließlich hatten sie noch nicht einmal damit begonnen, das Problem mit Niccis Vermächtnis auch nur ansatzweise zu lösen.
Vernünftig betrachtet war diese ganze Sache völlig absurd. Darin waren sie sich alle einig. Man kann Menschen nicht anderen Menschen vermachen. Kleidung ja. Einen Garten, okay, wenn es unbedingt sein musste. Sogar den Schuppen, aber keine Menschen .
Emotional betrachtet war es nicht ganz so einfach. Emotional, moralisch, ethisch … Mal so gesagt: Je weniger er von Mona sah, umso besser. Und jedes Mal, wenn er zu hören glaubte, dass Lizzie die Gartentür aufschloss, verspürte er Anspannung. Einzig die Vorstellung, dass Jo seine beiden Mädchen bemutterte, machte ihm, zumindest im Moment, nichts aus. Irgendjemand musste es ja tun.
Aus dem Wohnzimmer ertönten die Geräusche von Schwein chen Peppa, das in Schlammpfützen herumplanschte. Ihre Schmusedecken umklammernd, saßen Harrie und Charlie einträchtig nebeneinander auf dem Boden vor dem Fern seher. Dabei war es noch nicht einmal neun Uhr vormittags. Der ganze lange Tag lag noch vor ihnen.
Wenn Nicci mit den beiden nicht in den Park oder zu Spielkameraden gegangen wäre, hätte sie Kuchen gebacken, Kartoffelstempel gebastelt oder Puppenkleider genäht. Sams tags und sonntags hatte sie sich mit derselben Begeisterung dem Backen und Basteln gewidmet wie unter der Woche Capsule Wardrobe, ihrem anderen Baby.
»Putzen ist pure Zeitverschwendung«, pflegte sie zu sagen (wie so ziemlich alles, was sie nicht gern machte, für sie Zeitverschwendung war), weshalb sie eine Putzfrau eingestellt hatten. »Aber wenn ich meine Zeit nicht mit meinen Kindern verbringe, werde ich das später bereuen.«
Wie sich herausstellte, hatte Nicci recht behalten. Wenngleich sie damals nicht geahnt hatte, wie wenig Zeit ihr mit den Mädchen noch blieb.
Einmal hatte David sie gefragt, wo sie das ganze Nähen und Kochen und Basteln gelernt habe, in der Hoffnung, sie würde ihm etwas über ihre Kindheit erzählen. Doch Nicci hatte nur lapidar erwidert: »Das habe ich mir selbst beigebracht.« Jetzt wünschte er, sie hätte es auch ihm beigebracht.
David spazierte in die Küche zurück, schaltete das Radio an und gleich wieder aus. Er hatte sich vorgenommen, auf das ständige Hintergrundgemurmel zu verzichten, doch das Einschalten passierte automatisch. Ein weiteres endlos langes Wochenende lag vor ihm. Wieder ein Wochenende mit stümperhaftem Vorlesen und Keksen aus dem Supermarkt. Er musste unbedingt irgendetwas unternehmen.
»Du weißt, du kannst immer zu uns kommen«, hatte seine Mutter vom ersten Wochenende an gedrängt, und sein Vater hatte ihm in stummem Einverständnis auf die Schulter geklopft.
Natürlich wusste er das. Von den letzten sechs Wochenenden hatte er fünf bei seinen Eltern verbracht. Das letzte Mal hatte Charlie, als er sie aus dem Wagen hob, verkündet: »Nicht schon wieder zu Granny!«, und das mit einer Stimme, die bis zu seiner Mutter hinüberhallte, die strahlend auf der Haustürschwelle stand. Charlie klang so sehr nach Nicci, dass er es kaum aushielt.
Das Schwimmbad war natürlich immer eine Option. Vielleicht war Si mit seinen Söhnen dort. Doch als David beim letzten Schwimmbadbesuch versucht hatte, Charlie und Harrie umzuziehen und ins Kinderbecken zu bringen, hatte er Harrie eine volle Minute lang aus den Augen verloren und fast einen Herzinfarkt bekommen. Und er hatte genau gemerkt, was all die Mütter um ihn dachten: Typischer Wochenend-Dad, kann nicht mal fünf Minuten mit den Kindern allein gelassen werden. Diejenigen, die ihn kann ten, waren am schlimmsten. Es gab Tage, da fürchtete er, im Mitleid anderer Leute zu ertrinken.
Plötzlich kam ihm eine Idee: Whitstable. Die Strandhütte war einer von Niccis Lieblingsplätzen gewesen, vor allem im Winter. (»Weniger Touristen, mehr Charakter«, hatte sie oft gesagt, unbekümmert die Tatsache ignorierend, dass der Besitz einer Strandhütte in Whitstable sie noch lange nicht zur Einheimischen machte.) Seit dem Ende des letzten Som mers waren sie nicht mehr dort gewesen. Als die Chemo und die Bestrahlung begannen, war Nicci für einen Ausflug nicht mehr kräftig genug gewesen.
»Lasst uns zusammen an den Strand fahren!«, rief er beim Betreten des Wohnzimmers im aufgekratzten Tonfall eines Kindersendungsmoderators.
Zwei kleine blonde Köpfe
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