Die besten Freunde meines Lebens - Roman
geworden, er klatschte ihr die dunklen Locken an die Stirn.
Jetzt erinnerte er sich an sie. Nun, nicht so richtig. Aber Nicci hatte ständig mit Gott und der Welt geredet. Hatte bis zum oberen Rand ihrer Hunter-Gummistiefel in der eiskalten Brandung gestanden und mit Fremden geplau dert, als wäre es Juli. »Man weiß nie, wem man begegnen könnte«, hatte sie gesagt. »Besser zehn Minuten mit einer langweiligen Person verschwenden, als sich die Chance entgehen zu lassen, jemand Interessanten kennenzulernen.« Für sie war drei Hütten weiter fast schon Familie gewesen.
Immer offen, immer neugierig. Das genaue Gegenteil von ihm.
Nicci sammelte: Menschen, Gegenstände, Klamotten …
»Oh!«, rief die Frau nun erschrocken. »Verzeihung. Das war die falsche Frage, nicht wahr? Sie haben sich doch nicht … getrennt?« In ihren Zügen spiegelte sich ehrliches Bedauern. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Sie beide wirkten immer so glücklich miteinander …« Sie stockte.
David schüttelte den Kopf. Jetzt war er dankbar für den Regen, der über sein Gesicht strömte und alles verschwimmen ließ. »Nein«, sagte er. »Wir haben uns nicht getrennt.«
Ungeachtet des Regens saßen die Mädchen zu Davids Füßen und streichelten den Hund, waren zum ersten Mal an diesem Tag zufrieden. »Tut mir leid«, fuhr David fort. »Ich habe es jedem erzählt, der mir einfiel. Allen Leuten in Niccis Adressbuch. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … Sie hatte Krebs. Es … ging ganz schnell.«
Schnell, aber nicht schmerzfrei.
Der Ausdruck, der über das Gesicht der Frau glitt, war schrecklich vertraut. Er hatte ihn in den vergangenen zwei Monaten häufig gesehen. Auch in den Monaten davor, als das Ende unabänderlich gewesen war. Doch das machte es nicht leichter, weder für sie noch für ihn. Als die Frau sich hastig verabschiedete und mit gesenktem Kopf, den Hund im Schlepptau, den Strand hinuntereilte, nahm David ihr das nicht übel.
Nicci ist tot . Das war der Gesprächskiller schlechthin.
Bald darauf packten sie ihre Sachen zusammen. Es war sinnlos, noch länger zu bleiben. Er war hergekommen, um Nicci nah zu sein, doch er hatte sie nicht gefunden.
Sie war nicht mehr hier.
11. Kapitel
Das einzig Gute an Croydon ist, dass man es wieder verlassen kann, dachte Lizzie, als sie mit ihrem alten Renault vom Parkplatz des Pflegeheims The Cedars fuhr.
Es lag nicht an Croydon. Sie hatte nichts gegen den Ort. In Wahrheit war es auch nicht Croydon, das ihr so verhasst war. Es war Sanderstead und vor allem The Cedars.
Lizzies Mutter lebte nun schon seit zwei Jahren im The Cedars, und Lizzies ältere Schwester, Karen, hatte sie seitdem nur ein einziges Mal besucht. Okay, für Lizzie war das Heim mit dem Auto nur eine Stunde entfernt, wohingegen Karens Anreise einen achtstündigen Transatlantikflug bein haltete. Aber trotzdem, dachte Lizzie, während sie vor einem anfahrenden Bus scharf abbremste, es würde sie sicher nicht umbringen, wenn sie ihre Mutter wenigstens zweimal im Jahr besuchte.
»Ich kriege nur zwei Wochen Urlaub«, hatte Karen sie erinnert, als Lizzie sie vom Parkplatz aus anrief, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. »Und warum sollte ich um unbezahlten Urlaub betteln? Sie erkennt mich sowieso nicht mehr.«
Vor Wut hätte Lizzie ihr Handy am liebsten auf den Kiesweg hinausgeschleudert, doch ein neues Handy konnte sie sich nicht leisten. »Meinst du, sie erkennt mich? «, hatte sie stattdessen gesagt.
Vor dem Heim hatte die Vergesslichkeit gestanden. Ver schwundene Schlüssel, verlorene Handtaschen, bei der Rück kehr von der Schule fünfundzwanzig Nachrichten ihrer Mutter auf dem Anrufbeantworter, weil sie überprüfen wollte, dass Lizzie nicht bei dem dreißig Meilen entfernten Autounfall ums Leben gekommen war, über den in den Lokalnachrichten berichtet wurde.
Diesen Anrufen waren sofort Arztbesuche, Termine mit Spezialisten, MRT - und CT-Untersuchungen gefolgt. Lizzie hatte das weitgehend allein organisiert. Gerry war in Besprechungen. Mit wichtigen Kunden unterwegs. War auf Geschäftsreise n /Schulunge n / dem Sprungbrett nach oben. Kurzum: Er glänzte durch Abwesenheit.
Und war er einmal zu Hause, stritten sie wegen des Heims. »Ich wäre dir sowieso keine Hilfe, Schatz«, war Gerrys Standardsatz. »Was weiß ich schon von Pflegeheimen?«
»Genauso viel wie ich«, hatte Lizzie gesagt. Und in Gedanken hinzugefügt: Leckt mich doch alle am Arsch.
Sie hatte das nicht ausgesprochen. Wie sie
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