Die besten Freunde meines Lebens - Roman
gehört. Den Seufzer und dann die Worte: »So werden wir nie ein Baby machen …«
Und das war es, dachte Jo. Wieder ein Thema, über das sie nicht mehr redete n / reden konnten. Wenn sie ehrlich war, so war es das Thema schlechthin. Die Quelle all ihrer Probleme.
Ein Baby machen.
Sie hatten es probiert, jahrelang. Am Anfang war es Spaß gewesen, bis Fruchtbarkeitskalender, Thermometer und Prüfen der Schleimkonsistenz die Sache zu einem weiteren Punkt auf der To-do-Liste gemacht hatten. Wie Jo entdeckte, war nichts besser geeignet, jegliches Verlangen nach Sex abzutöten, als die Pflicht, Sex haben zu müssen. Und nichts war besser geeignet als die Erkenntnis, dass sie keine Kinder bekommen konnte, um in einer Frau, die sich nie als den mütterlichen Typ gesehen hatte, einen verzweifelten Kinderwunsch auszulösen.
Als Nächstes kamen Ärzte und Spezialisten. Ein Dutzend Konsultationen bei einem halben Dutzend Experten. Und alle gelangten sie zu demselben Schluss: Es lag an ihr. Man musste kein Genie sein, um das herauszufinden. Immerhin hatte Si bereits zwei Söhne. Die gute Nachricht war, dass ihre Situation nicht hoffnungslos war. Eine Spezialistin war der Ansicht, dass künstliche Befruchtung gute Aussichten auf Erfolg hätte. Wiewohl sie keine Versprechungen machte. Das machte niemand.
Also hatten sich Si und Jo ein Versprechen gegeben; waren abends zum Essen gegangen und hatten das Gelöb nis mit Champagner besiegelt. Sie würden sich drei Versuche gestatten, und wenn sie danach noch immer kein Baby hatten, brauchte einer von ihnen beiden es nur zu sagen, und sie würden es dabei belassen. Wie ungeheuer reif erschien das damals. Wie vernünftig. Wie viel leichter gesagt als getan.
Der dritte Versuch schlug genau in jener Zeit fehl, als bei Nicci Krebs diagnostiziert wurde, und damit wurde alles andere – alles – erst einmal auf Eis gelegt. Ein-, zweimal hatte Si noch einen Vorstoß gewagt, doch Jo hatte abgewinkt. Sie war erschöpft, traurig, hatte zu viele andere Sorgen. Sogar Si hatte zugeben müssen, dass der Zeitpunkt unpassend war. Abgesehen von allem anderen, und wie immer es mit Nicci weitergehen mochte, die Firma konnte es sich nicht erlauben, dass Nicci und sie gleichzeitig ausfielen.
Jo wusste, sie hätte ihm ihre Vorbehalte gestehen müssen, bevor das Thema einen so hohen Stellenwert bekam. Damals, als es vielleicht keine so große Sache gewesen war. Bevor das Geld ausgegeben wurde, die Schwangerschaftstests negativ und die Tränen vergossen waren. Bevor sie anfing, sich wie eine Versagerin zu fühlen. Sie hätte Si sagen müssen, dass sie sich, bis sie ihn kennengelernt hatte, gar nicht sicher gewesen war, ob sie überhaupt ein Baby haben wollte. In der Tat hatte Jo die große Befürchtung, sie wäre, als die Mütterlichkeitsgene vergeben wurden, gerade nicht da gewesen. Doch seine Jungs waren so süß, und sie liebte Si so sehr, dass es plötzlich die wichtigste Sache der Welt zu sein schien: ihre Familie komplett zu machen.
Sie hätte ihm das sagen sollen; gleich zu Beginn.
Genauso wie sie ihm hätte erzählen sollen, dass Nicci ihr die Verantwortung für das Wohlergehen von zwei kleinen Mädchen übertragen hatte. Zusätzlich zu den beiden Jungen, die sie bereits liebte und umsorgte und die nicht wirklich ihr gehörten …
Stöhnend ließ Jo den Kopf kreisen, um die Spannung in ihrem Nacken zu lockern, und schaltete den Computer aus.
Si hatte recht: Sie sollte sich eine Pause gönnen. Sich selbst etwas Zeit widmen. Wenn sie nicht bald zum Chiropraktiker ging, würde ihr Nacken total versteifen. Eine Ansatzfärbung war so überfällig, dass ihr Haar fast zweifarbig aussah. Und was den Sport betraf … Jo blickte an ihrer hart erkämpften Läuferfigur hinunter und schloss die Augen. Sie war nicht von Natur aus schlank. Diese Figur erforderte viel Mühe, war zu hundert Prozent das Ergebnis strenger Disziplin. Wie lange konnte sie ihren Körper vernachlässigen, bevor er wieder in seine naturgegebene Form zurückfiel?
Nicht nur ihre Muskeln profitierten vom Laufen, sondern auch ihre Psyche. Das Laufen regte sie an, schenkte ihr einen klaren Kopf, doch seit Niccis Tod – wie auch in den Wochen davor – war sie nicht mehr in ihre Nikes geschlüpft, um den Fußweg entlangzujoggen, der hinter ihrem Haus verlief.
Ein weiterer Punkt auf deiner Liste, liebe Jo, dachte sie, während sie im Schreibtischstuhl nach hinten rollte und sich eine gestreifte Kostümjacke überzog. Nur ein
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