Die besten Freunde meines Lebens - Roman
als gedacht.
Entweder das oder der Film war kürzer gewesen.
Ihre Waden und Oberschenkelmuskeln schmerzten, die Strafe dafür, dass sie versäumt hatte, sich ordentlich aufzuwärmen. Dilettantischer ging es wohl kaum. Ihr T-Shirt war fleckig vor Schweiß, und der Sport- BH klebte an der Unterseite ihrer Brüste. Sie sah bestimmt grauenvoll aus, doch zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich nicht so. Zwei Stunden oder länger hatte sie sich ganz dem Spiel ihrer Muskeln und dem Pumpen ihrer Lungen hingegeben und hatte gemerkt, wie ihre Stimmung stieg, als erstmals seit langer Zeit wieder die Endorphine in ihrem Körper frei wurden. Ein fast vergessenes Wohlgefühl durchflutete sie, nicht unbedingt innere Ruhe, sondern eher die Einsicht, dass ihre Probleme nicht unüberwindbar waren. Wie hatte sie dieses gute Gefühl nur vergessen können?
Sie wurde langsamer und blieb stehen. Keuchend beugte sie sich nach vorn, legte die Hände auf ihre Lycra-umhüllten Knie und beobachtete, wie der Schweiß aus ihrem zerzausten Pony auf den schwarz-weiß gefliesten Weg tropfte. Sie war noch immer in dieser Stellung und wartete, dass ihre Atmung sich wieder normalisierte, als sie hörte, wie die Haustür aufging.
Zögernd richtete Jo sich auf, rechnete damit, in Sis Blick Verärgerung, sogar Missbilligung zu sehen. Schon wieder war sie nicht pünktlich. Hatte ihn schon wieder enttäuscht.
»Du warst laufen!«, rief Si, und in seine Züge trat ein strahlendes Lächeln, wie es Jo seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Er schlang die Arme um ihren verschwitzten Körper. »Du warst laufen!«
»Ja«, sagte Jo und erwiderte seine Umarmung.
Si neigte sich zurück und schob eine feuchte Strähne aus Jos Augen. »Igitt«, sagte er, »du bist klatschnass und du stinkst.« Doch er ließ sie nicht los, zog sie sogar noch enger an sich. »Ich freue mich so, Jo.« Er küsste ihre verschwitzte Haut, und sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr. »Ich dachte schon, du hättest vergessen, wie es geht.«
Jo grinste und küsste ihn zurück. Leidenschaftlich. »Vielleicht hatte ich das auch eine Weile.«
Hinter Sis Schulter tauchte ein dunkler Schopf in der Haustür auf. »Iih«, ertönte Sams Stimme. »Dad und Jo knutschen.«
»Das ist noch nicht alles«, sagte Jo in der Küche, während sie ihre Schnürsenkel aufband. Sie spürte die drohenden Blasen an den Fußballen und das Brennen an ihren Fersen, was nach der monatelangen Pause und dem fehlenden Aufwärmen kein Wunder war. »Morgen werde ich mir freinehmen und mit euch zum Schwimmen gehen. Falls das okay ist und ich mich noch bewegen kann. Und am Montag gebe ich eine Stellenanzeige für eine Einkäuferin auf, die gleichzeitig Stylistin ist. Vielleicht sogar für zwei Leute, wenn das im Budget drin ist, aber ideal wäre eine neue Kraft.«
Eine neue Nicci, dachte sie, sprach es jedoch nicht aus.
Si stellte ein großes Glas kalten Weißwein vor sie hin, sah sie stirnrunzelnd an und begann dann zu lachen. »Wer bist du?«, sagte er. »Und was hast du mit meiner Jo gemacht?«
Der Abend verging wie im Flug. Pizza und Brownies wurden geliefert und verputzt, und danach zogen Sam und Tom sich jeden ungeeigneten Film hinein, den Sky zu bieten hatte, kicherten bei jedem Schimpfwort und würgten geräuschvoll bei der geringsten Andeutung einer Sexszene. Hin und wieder blickte einer von beiden auf, um zu sehen, ob Jo bewusst war, was sie sich da anschauten, worau f Jo jedes Mal vorgab, in ihre Zeitung vertieft zu sein, während Si am anderen Ende des Zimmers Hausaufgaben korrigierte.
Amüsiert verschanzte sich Jo hinter ihrer Zeitung, da mit die beiden nicht merkten, wie sie in sich hineingrinste. Genauso sollten Familiensamstage sein. Wie sie es waren, bevor Nicci krank wurde und alles aus dem Ruder lief. Zum ersten Mal seit Monaten war Jo einigermaßen entspannt, statt innerlich zu rotieren wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Keines ihrer Probleme war gelöst, da machte sie sich nichts vor. Doch im Unterschied zu vorher warteten diese Probleme nun geduldig darauf, dass sie sich ihrer annahm, anstatt von allen Seiten über sie herzufallen. Gleichwohl war ihr klar, dass diese Ruhephase nicht lange andauern würde.
»Si …«, sagte Jo, als die Jungs ins Bett gegangen waren – unter lautstarkem Protest seitens Tom, der sich bitterlich beklagte, dass er zur selben Zeit wie Sam ins Bett müsse, obwohl er zwei Jahre älter sei. »Das Leben ist unfair«, hatte er vom oberen Stock
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