Die besten Freunde meines Lebens - Roman
hinuntergerufen.
»… es gibt da ein paar Dinge, über die wir reden müssen.«
Mit fragend erhobenen Brauen nahm Si neben ihr auf dem Sofa Platz, streckte den Arm auf der Lehne aus und legte die Hand auf Jos Schulter. »Hört sich bedrohlich an«, sagte er und lehnte sich zurück, um Jo ansehen zu können. »Es ist doch nichts Bedrohliches, oder?«
»Hm.« Jo zuckte die Achseln. »Doch, irgendwie schon. Zumindest ein bisschen.«
Carpe diem und pack die Gelegenheit beim Schopf. Das hatte Jo sich gedacht, als Si die Jungen ins Bett brachte, aber jetzt fragte sie sich, was sie da nur geritten hatte. Ein beschissener Tag hatte sich zu einem guten gewandelt. Wollte sie das wirklich wieder kaputtmachen?
»Jo«, sagte Si behutsam, »erzähl … Worum geht es?«
Als Jo fertig war, starrte Si sie eine Weile nur sprachlos an. Den Arm hatte er bereits vorher von der Sofalehne genommen. »Si …«, begann sie, doch er hob die Hand, bedachte sie mit kühlem Blick.
»Gib mir einen Moment«, sagte er. »Ich muss das erst verarbeiten.«
Jo nickte und schluckte ihre Fragen hinunter. Im Verlauf der Jahre hatte sie gelernt, dass ihr Bedürfnis nach einer sofortigen Reaktion nicht mit Sis Bedürfnis nach »verarbeiten« vereinbar war. Doch es war nach wie vor nicht leicht.
»So«, sagte er schließlich nach einer halben Ewigkeit. »Dieser Brief. Wann hast du ihn noch mal gekriegt?«
»Zwei Tage nach Niccis Tod. David hat ihn vorbeigebracht.«
»Und wo war ich zu dem Zeitpunkt?«
»Mit den Jungs beim Schwimmen. Oder Fußballspielen. Ich weiß es nicht mehr genau. Es war an einem Sonntagmorgen, und du warst unterwegs.«
Er nahm die Brille ab, rieb sich die Augen und setzte die Brille wieder auf. »Ist dir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, es mir zu erzählen? Am selben Abend vielleicht? Oder am nächsten Tag? Oder am übernächsten? Musstest du ganze drei Monate warten, um diese Bombe hochgehen zu lassen? Ich dachte, wir hätten ein besseres Verhältnis, Jo.«
Jo senkte den Kopf. Er hatte recht. Es war unverzeihlich.
»Das haben wir ja auch«, sagte sie. »Ich war nur nicht in der Lage … Ich war einfach in jeder Beziehung … Es tut mir leid, ich weiß, es war dumm, aber ich stand unter Schock. Nicci, meine beste Freundin, war tot, und dann … so etwas. Ich meine, sie hat mir – uns – lebende Menschen vermacht. Wie konnte sie das nur tun? Das habe ich einfach nicht kapiert. Und …«
Im Moment waren derart banale Rechtfertigungen zwar nicht angebracht, aber Jo wusste nicht, wie sie ihr Verhalten sonst erklären sollte.
»Und was ist mit Lizzie und Mona?«, fiel Si ihr ins Wort. »Waren sie nicht der Ansicht, dass du mir davon erzählen solltest? Ich nehme an, sie wussten Bescheid.«
Jo nickte, den Blick beharrlich auf den zerschlissenen Stoff ihrer alten Jeans geheftet. Sie konnte es nicht ertragen, den verletzten Ausdruck in seinen Augen zu sehen, der sicher da war. Si und sie waren ein Team, teilten alles miteinander. Zumindest war das früher so gewesen.
»Ich habe Lizzie angerufen, sobald ich den Brief gelesen hatte. Wärst du hier gewesen …«
»Jo, hör auf!«
»Nein, so war das nicht gemeint. Ich … nun ja, ich war allein. Ich bekam diesen Brief. Es war … verrückt. Ich wusste nicht aus noch ein, also rief ich Lizzie an. Ich dachte, vielleicht hat der Krebs …« Jo hielt inne. Sie konnte es nicht aussprechen; es wäre zu unloyal.
»Lizzie hatte ihren Brief bereits gelesen«, begann Jo erneut, in dem Versuch, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Aber ihr Vermächtnis wirkte im Vergleich zu meinem eher witzig. Und dann Mona … Sie hat es am schlimmsten getroffen. Wir wussten einfach nicht, was wir tun sollten. Also beschlossen wir, erst einmal gar nichts zu unternehmen. Wir wollten am Anfang nicht einmal mit David sprechen.«
Si wich zurück; sie merkte es eher am Verrutschen der Polster, als dass sie es sah. »Ihr habt mit David gesprochen?«
O Mist, hatte sie das nicht erwähnt?
»Das mussten wir … Ich meine, was blieb uns denn anderes übrig? Es geht um sein Leben, seine Kinder, seinen Garten, um ihn … Jemand musste mit ihm reden.«
»Und dieser Jemand musstest du sein?« Sis Stimme klang jetzt weicher, resigniert.
Jo nickte.
»Tja, das überrascht mich nicht. Immer bist du diejenige. Immer. Erst musst du die verdammte Firma allein stemmen, ohne dass irgendeine Vorkehrung für Niccis Ersatz getroffen worden wäre, und jetzt das. Und was, wenn ich fragen
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