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Die besten Freunde meines Lebens - Roman

Die besten Freunde meines Lebens - Roman

Titel: Die besten Freunde meines Lebens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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weiteres Problem auf ihrer ständig wachsenden Liste von Problemen, und offen gestanden hatte sie im Moment wichtigere Dinge auf ihrer Agenda als schlaffe Muskeln. Wie zum Bei spiel die Bestellung der »Kreuzfahrt-Kollektion«. Diese Kollektion war, gelinde gesagt, kompliziert. Sie fiel zwischen die Mäntel, Pullover und Partykleider der Herbs t / Winter-Kollektion und der leichteren Garderobe der Frühjahr/Sommer-Kollektion und war, wie Jo immer empfunden hatte, für jene Frauen entworfen, die die Wintermonate in tropischen Gefilden verbrachten. Da Jo nicht zu diesen Frauen gehörte, war diese Kollektion für sie ein Buch mit sieben Siegeln.
    Jo seufzte.
    Die Herbs t/ Winter-Bestellung war im Februar erfolgt, kurz nach Niccis Tod. Und obwohl Jo nicht die leiseste Ahnung hatte, was ihre Kundinnen im September tragen wollten, war sie damals nicht in der Verfassung gewesen, den Auftrag zurückzuziehen. Also hatte sie sich auf Niccis Assistentin, Kelly, verlassen, die behauptete, von Nicci genau instruiert worden zu sein. Wie Jo nun erkannte, bestand zwischen Niccis Instruktionen und Kellys Fähigkeiten eine unüberbrückbare Kluft, und inzwischen bedauerte es Jo zutiefst, Kelly die Bestellung überlassen zu haben. Diesen Fehler würde Jo unter keinen Umständen noch einmal machen.
    Sie schnappte sich einen Kugelschreiber vom Schreibtisch, kramte nach einem Post-it-Zettel und kritzelte in Druckschrift » FASHION MONITOR, STELLENANZEIGEN « darauf. Dann klebte sie den Zettel mitten auf ihren Computermonitor, wo sie ihn am Montagmorgen nicht übersehen würde.
    Es schmerzte sie, es zuzugeben, aber Si hatte recht. Jo konnte es nicht länger ignorieren. Capsule Wardrobe und sie brauchten Hilfe.
    Im Haus war es still, als Jo ihre Schlüssel auf den Dielentisch legte. Kein Computer-Geballer aus dem Wohnzimmer, kein Ballspiel aus dem Garten. Kein gutes Zeichen.
    Genauso wenig wie der hastig aus einem Heft herausgerissene Zettel, der in der Küche auf der Arbeitsplatte lag, gleich neben den Plänen zum Anbau, der immer unwahrscheinlicher wurde.
    »Sind ins Kino gegangen«, stand in blauem Filzstift auf dem Zettel. »Mach dir ums Essen keine Gedanken. Werden auf dem Heimweg Pizza holen.«
    Das war tolerant, sogar rücksichtsvoll. Si hatte nicht angerufen, er hatte nicht genervt, er hatte nicht einmal eine Wo zum Teufel bleibst du?- SMS geschickt. Doch Jo spürte die Enttäuschung hinter seinen Worten, und sie konnte es ihm nicht verübeln.
    Sie hatte ihm ein Versprechen gegeben und es – mal wieder – nicht eingelöst.
    Gut gemacht, Jo, dachte sie. Du hast ihn enttäuscht. Schon wieder. Schlimmer noch, du hast seine Jungs enttäuscht … Sie presste die Handballen in die Augen, bis sie blitzende Lichtfunken sah. Grundregel Nummer eins: Gib Kindern niemals ein Versprechen, das du nicht halten kannst. Mit etwas Glück hatte Si – eingedenk ihrer jüngsten Erfolgsbi lanz – das vorhergesehen und den Jungen gar nicht erst von Jos Versprechen erzählt. Ja, sagte sie sich, so wird es gewesen sein. Immerhin hatte er sogar gewusst, dass sie vergessen würde, auf dem Heimweg etwas zu essen zu besorgen. Mal wieder.
    Jo öffnete den Kühlschrank, holte eine Flasche Sauvignon Blanc heraus, nahm ein großes Glas aus dem Schrank und begann die Flasche aufzudrehen. Das vertraute Klicken von sich lösendem Metall ließ sie innehalten. Es war fünf Uhr nachmittags und draußen noch immer hell. Noch mindestens zwei weitere Stunden Tageslicht, wenn das Wetter mitmachte. Si und die Jungen würden nicht so bald zurück sein. Wenn sie jetzt mit Wein anfing, hatte sie bis zu Sis Rückkehr die halbe Flasche getrunken. Es musste doch etwas anderes geben, das sie tun könnte. Etwas, was sie aufbaute, nicht herunterzog.
    Kurz entschlossen stellte sie die ungeöffnete Flasche in den Kühlschrank zurück, ging zur Arbeitsplatte, auf der Sis Zettel lag, und nahm denselben Filzstift, den er benutzt hatte. Wahrscheinlich würde sie vor ihnen zurück sein, aber man konnte nie wissen.
    »Bin laufen«, schrieb sie und unterzeichnete mit »Jx«. Es wirkte optimistisch – wiewohl das »x« für »Liebe« im Moment wohl nicht erwidert wurde –, aber plötzlich fühlte sie sich auch optimistisch.
    So, und wo hatte sie zuletzt ihre Laufschuhe gesehen?
    Obwohl es noch nicht dunkel war, brannte in den unteren Fenstern Licht, als Jo in die Gasse einbog, die von dem Fußweg zu ihrer Straße zurückführte. Verdammt, sie musste länger unterwegs gewesen sein

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