Die besten Freunde meines Lebens - Roman
sie zögerte, wollte nicht übergriffig erscheinen, »… und ich dachte, du wolltest für eine Wohnung mit David sparen.«
Mit einer graziösen Handbewegung winkte Nicci ab, als wollte sie sagen: Ach, das. Jo bemerkte, wie Lizzie hinter Niccis Rücken warnend die Augen aufriss. Halt dich da raus. Doch Jo war bereits mittendrin. Ihr Buchhaltergehirn hatte auf Rechenmodus geschaltet.
Jo wusste, sie hörte sich wie Niccis Mutter an, oder wie sie sich vorstellte, dass sich Niccis Mutter, die keine von ihnen kannte, anhören würde. In jedem Fall hörte sie sich wie ihre eigene Mutter an. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Es war so unglaublich viel Geld.
»Tausend Pfund«, murmelte Lizzie wie eine Irre, die ihre Kupfermünzen zählt. »Ich meine, tausend Pfund …« Sie fügte nicht hinzu, weil das nicht nötig war: für eine Handtasche.
»Gott, wieso bin ich ausgerechnet an euch beide geraten«, stöhnte Nicci, warf ihre Lederjacke auf den Boden und ließ sich auf den freien Stuhl neben Jo fallen.
Es war nur halb scherzhaft gemeint.
Nach einem Blick auf Niccis schmale schwarze Hose, die schwarzen spitzen flachen Schuhe und das bis zum Hals geknöpfte Männerhemd musterte Lizzie ihr eigenes Kostüm von Next und die halbhohen Schuhe und verspürte eine Welle von Neid. Genauso wie an jenem Tag, als sie sich kennengelernt hatten. Und wie es immer sein würde. Jede andere Frau würde in Niccis Outfit wie eine Kellnerin aussehen.
Nicci hatte Stil, Lizzie hatte keinen. Lizzie akzeptierte das. So lagen die Dinge nun mal. Dafür gab es in ihrem Leben andere Freuden. Wie zum Beispiel Gerry.
Gut, die Sache mit Gerry befand sich noch in den Anfängen. Sie waren bisher erst drei Mal verabredet gewesen, doch Lizzie hatte ein gutes Gefühl. Ein sehr gutes Gefühl. Bei ihrem dritten Date am vergangenen Samstag hatte er sie nach Mayfair ins Quaglino’s ausgeführt. Nur Männer in Anzügen, mit teuer zurechtgemachten Blondinen als schmückendem Beiwerk. In Wahrheit war sich Lizzie total deplatziert vorgekommen, doch sie war auch beeindruckt gewesen. Und mit Gerry an ihrer Seite hatte sie sich sicher gefühlt. Er war witzig, charmant, zuvorkommend. Und er hatte bisher noch keine Annäherungsversuche unternommen. Lizzie hoffte, das war kein schlechtes Zeichen. Weil sie ihn mochte. Er war der erste Mann, den sie mochte, seit … ach, es war sinnlos, darüber nachzudenken. Dieser Mann schien jedenfalls aufrichtig von ihr angetan zu sein.
»Zeig uns doch mal die Tasche«, sagte sie.
»Ja«, stimmte Jo zu. »Wir wollen sehen, welches tolle Teil du da erstanden hast.«
Ehrerbietig legte Nicci ihre teure schwarze Umhängetasche auf den Wohnzimmertisch und holte eine schwarze Schachtel von der Größe einer Cornflakespackung heraus. Auf dem Deckel befand sich ein weißes Logo, das Lizzie und Mona auch erkannt hätten, wenn sie nicht seit fünf Jahren mit einer Frau zusammenleben würden, die Mode lebte und mit jedem Atemzug verströmte. »Es sind auch keine drei Monatsmieten«, sagte Nicci mit lebhaft funkelnden Augen. »Es sind eher zwei und ein paar Zerquetschte. Und die Tasche ist jeden einzelnen Penny wert.«
Ungeschickt vor Aufregung nestelte sie den Deckel von der Schachtel und stellte sie behutsam vor sich auf den Tisch.
»Dies«, sagte sie, während sie ein glänzendes Rechteck aus gestepptem schwarzen Leder aus dem Seidenpapier her aushob und darauf achtete, dass der goldene Kettenriemen nicht auf den Tisch klapperte, »ist die 2.55 Flap Bag. Ein Designklassiker.«
Die beiden anderen Frauen starrten erst die Tasche an, dann Nicci. Es war ein schwarzes, gestepptes Rechteck mit einer goldenen Kette. Mehr nicht. Kein Rock’n’Roll. Keine Avantgarde. Nicht einmal Prada, dachte Jo. Es sah aus wie etwas, was eine vornehme alte Tante tragen könnte.
Falls Nicci einen Begeisterungssturm erwartet haben sollte, blieb sie doch ungerührt, als dieser ausblieb. »Gabrielle – Coco – Chanel hat den Schulterriemen kreiert«, sagte sie. »Eine Tasche einfach über die Schulter werfen? Stellt euch das nur mal vor! Plötzlich brauchten Frauen ihre Taschen nicht mehr in der Hand zu tragen. Zum ersten Mal hatten sie beide Hände frei! Was für eine radikale Neuerung!«
Jo fing Lizzies Blick auf und verbiss sich ein Kichern. In Wahrheit war ihr allerdings eher nach Weinen zumute. Sie hatte zwölf Stunden am Stück gearbeitet, gestern vierzehn, und hatte sich auf einen netten Film und frühes Zubettgehen gefreut, ehe sie morgen
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