Die besten Freunde meines Lebens - Roman
haben wollten – in diesem Monat, diesem Jahr, sogar im nächsten Jahr. Und Lizzie … nun, Lizzie war ein Schatz, aber Jo war sich sicher, dass Lizzie immer noch herauszufinden versuchte, wer sie eigentlich war.
Doch das half im Moment auch nicht weiter.
Jo hatte sich in der erstklassigen Steuerkanzlei, bei der sie in ihrem letzten Jahr an der Universität als Praktikantin angefangen hatte, rasch nach oben gearbeitet. Und ihr Mentor meinte, wenn sie so weitermachte, könnte sie mit dreißig als Partner einsteigen. Das hörte sich so alt an und war ein so langer Weg für eine Vierundzwanzigjährige.
Ihr Job war nichts, womit sie sich brüstete, denn er war nicht unbedingt cool, aber Jo liebte Zahlen. Es gefiel ihr, damit zu jonglieren. Doch das Leben musste mehr zu bieten haben als Rechnungsprüfungen und zwölf bis sechzehn Stunden lange Arbeitstage, nur damit sich irgendjemand die Taschen füllte. Nicci hatte recht. Jo verdiente doppelt so viel wie sie. Dafür arbeitete sie jedoch auch absurd viel, manchmal sogar an sieben Tagen in der Woche.
Jo blickte von Niccis erwartungsvoller Miene – strahlend vor Freude und in der Gewissheit, dass Jo sie nicht hängen lassen würde, und falls doch, so war da noch David – zu dem gesteppten Lederrechteck auf ihren Händen, dessen makelloses Aussehen in beschämendem Kontrast zu ihren tintenfleckigen Fingern stand.
Es ist nicht nur eine Tasche, sagte sie sich.
Denn wäre es »nur eine Tasche«, könnte sie für denselben Preis fünfzig davon kaufen. Nur ohne die Qualität, ohne das handwerkliche Können, ohne die Geschichte, ohne das Label …
Es ist ein Stück Geschichte. Es ist eine Investition. Es ist ein Vermächtnis.
Doch so sehr sich Jo auch bemühte, die Welt durch Niccis Augen zu sehen – die Tasche blieb eine Tasche. Statt an Kunst zu denken, hatte Jo nur das viele Geld vor Augen.
21. Kapitel
»Ich weiß, es ist mein Samstag, aber könnte ich meine Schicht nicht mit jemandem tauschen?«
Mona schob ihre Brille ins Haar und seufzte. Würde sie jedes Mal, wenn man sie das fragte, einen Zehner bekommen, könnte sie in den Ruhestand gehen und in Saus und Braus in, ach, wo auch immer leben, aber vorzugsweise an einem fantastisch tollen und heißen Ort und weit weg von hier.
Der Knabe auf der anderen Seite des lädierten Holztisches, der ihr als Schreibtisch diente, sah sie erwartungsvoll an, trat nervös von einem Bein auf das andere. Er war nicht riesig groß, nicht mal ein Meter achtzig, doch das Büro war so klein, dass er es nahezu völlig ausfüllte. Und er war nur wenig älter als Daniel. Fünf, höchstens sechs Jahre. Wo waren die Jahre nur geblieben? Wie war ihr Sohn vom flaumhaarigen kleinen Jungen, den sie mit seinem Star-Wars -Rucksack voller Matchboxautos aus Australien via Hongkong hierher mitgebracht hatte, zu dem schlaksigen Jungmann geworden, der solche Unmengen von Schmutzwäsche produzierte?
»Und, geht das klar?« Calebs Stimme katapultierte sie wieder in den vollgestellten Lagerraum zurück, der als Büro des Restaurantgeschäftsführers herhalten musste.
»So leid es mir tut, Caleb«, sagte sie, »aber ich habe gerade den Dienstplan für nächste Woche aufgestellt, deshalb weiß ich, dass es niemanden gibt, der mit dir tauschen könnte. Selbst wenn du jemanden überreden könntest, auf seinen Samstagabend zu verzichten, sehe ich da keine Chance. Poppy und Irina haben ihre Schicht bereits getauscht, und Lec hat mich gebeten, die Früh- statt der Spätschicht übernehmen zu dürfen. Frühstück und Mittagessen habe ich abgedeckt, aber am Samstagabend kann ich leider niemanden entbehren.«
Das war das Problem, wenn man einen Betrieb halbtags leitete und keine festen Angestellten hatte. Außer Mona und dem Küchenchef bestand das Personal größtenteils aus Studenten, Rucksacktouristen oder Einwanderern, die meist aus Australien oder Osteuropa kamen. Es gab sie in jedem Café und Restaurant innerhalb der M25-Ringautobahn, sie nutzten den Gelegenheitsjob, um Fuß zu fassen oder ihre WG -Miete zu bezahlen. Sie waren keineswegs faul, ganz im Gegenteil, nur hatte die Arbeit bei ihnen keine Priorität, sie diente lediglich dazu, den nächsten Abschnitt ihrer Reise zu finanzieren (Australier) oder Geld nach Hause zu schicken (der Rest). Auch Mona hatte als junge Frau ihre Reisen mit Jobs finanziert, war immer nur so lange an einer Arbeitsstelle geblieben, bis sie genügend Geld für das nächste Flugticket zusammenhatte. Auf Koh Pha Ngan
Weitere Kostenlose Bücher