Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Aktenschränkchen aus dem Gästezimmer in sein Büro und kippte es über dem Teppich aus. Es gab keine Aktenordner, nur Papier. Stapelweise Papier: Quittungen, Kontoauszüge und Briefe, die bis in die Neunziger zurückreichten. Manche waren zusammengefaltet, manche zerknittert, manche irgendwie dazwischengestopft.
Es war nicht so, als hätte er an diesem Samstag etwas Bes seres vorgehabt. Schon gar kein heißes Date. David schüttelte sich. Er hatte noch nie im Leben ein heißes Date gehabt, bis er sich mit Haut und Haaren in Nicci Gilbert verliebt hatte. Und seitdem hatte er sich nie eine andere Frau gewünscht. Bezweifelte, dass das jemals der Fall sein würde. Es war einfach nur … Das Haus war so still, wenn die Mädchen nicht da waren.
Nicci war nun seit über vier Monaten tot, doch in Wahrheit war sie schon viel früher gegangen.
»Verzeih mir, David«, hatte sie an jenem Tag gesagt, als der Arzt ihnen klipp und klar mitteilte, dass die Behandlung nicht angeschlagen habe.
Das Datum hatte sich in Davids Herz eingebrannt: der sechste November.
»Du bist jung, erfolgreich, ein toller Typ.« Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und küsste seine feuchten Wangen. »Du musst nach vorne schauen.«
»Und wenn ich das nicht möchte?«, flüsterte er wie ein kleiner Junge. Trotzig. Wütend. Verzweifelt.
»Das wirst du«, tröstete Nicci ihn. »Sobald ich nicht mehr da bin. Das liegt in der menschlichen Natur. Du wirst wieder Freude am Leben finden. Irgendwann. Das verspreche ich dir.«
Zwei Monate danach verschlechterte sich ihr Zustand unaufhaltsam. Und einen Monat später … David schloss die Augen und zählte langsam von zehn rückwärts, zwei Mal … Einen Monat später starb sie.
Es war das erste Mal, dass er mit trockenen Augen daran denken konnte.
Energisch schob er den Gedanken beiseite und machte sich ans Sortieren der Unterlagen, indem er als Erstes die Bankauszüge aus dem Durcheinander herausfischte und sie auf einen Stapel legte. Irgendwo musste er anfangen. Warum also nicht damit.
Als Mitte der Woche Davids Handy klingelte und Jo sich meldete, hatte David sofort ein flaues Gefühl im Magen verspürt. Es war ihm selbst rätselhaft, aber sobald er ihre Nummer auf dem Display sah, hatte er gewusst, was sie sagen würde. Erstaunlich war nur, dass sie damit so lange gewartet hatte.
»Wie laufen die Bewerbungsgespräche?«, fragte er in dem lahmen Versuch, sie auf ein anderes Thema zu lenken.
Sie schluckte den Köder nicht. »Ganz gut.« Ihr Ton war vorsichtig, aber absolut entschlossen. »Obwohl, nein. Eher ziemlich enttäuschend. Aber das ist nicht der Grund meines Anrufs, David. Weißt du, ich habe überlegt …«
Er musste sich beherrschen, den Satz nicht für sie zu beenden.
»Ich würde gern mehr Zeit mit Charlie und Harrie verbringen, wenn das für dich in Ordnung ist. Es ist nicht nur der Brief – also Niccis Brief. Nein, ich bin ihre Patentante, würde mich sowieso um die beiden kümmern. Ist das für dich okay?«
Sie klang, als fühlte sie sich genauso unwohl wie er.
»Du würdest es doch sagen, oder?«, hakte Jo nach. »Ich meine, wenn es nicht okay ist?«
Und was dann?, hätte David am liebsten geantwortet. Wenn ich sagen würde, nein, das passt mir nicht? Was wäre dann?
Er spürte, wie sich seine Finger um das Handy krampften, und zwang sich, den Griff zu lockern. Er hatte es erwartet, doch das machte es nicht leichter, damit umzugehen. »Gut«, sagte er. »Na ja, wirklich gut ist es nicht. Aber es ist das, was Nicci gewollt hat.«
»Ja, und …«
Als Jos Stimme plötzlich abbrach, wurde David bewusst, dass sie von unterwegs aus anrief. Es war fast neun Uhr abends. Hatte sie schon wieder so lange gearbeitet? Er stand in ihrer Schuld. Und in Sis. Si würde ihm beim nächsten Treffen sicher wieder erzählen, dass Jo zu viel arbeitete. Das machte er in letzter Zeit häufig, obwohl David von Nicci wusste, dass die Firma noch das geringste von Sis und Jos Problemen war.
»Würde es dir am kommenden Samstag passen? Ich dachte, ich könnte die beiden gegen halb elf abholen. Mit ihnen auf einen Spielplatz gehen, vielleicht in den Park, wenn das Wetter mitmacht. Und anschließend, hm, Pizza?«
David lachte. Er konnte nicht anders. »Wenn du auf dem Spielplatz bist, dann grüß mir all die Väter, die ihre Kinder jedes zweite Wochenende sehen, okay?«
»Das ist nicht witzig«, bemerkte Jo. »Nicht einmal ansatzweise.« Aber sie lachte dennoch.
Heute Morgen hatte es,
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