Die besten Freunde meines Lebens - Roman
laut der Uhr auf dem DVD -Player, um genau eine Minute vor halb elf an der Tür geklingelt. Charlie und Harrie waren bereits startklar gewesen; ihre Peppa-Pig-Brotzeitdosen mit allem erdenklichen Spielzeug gefüllt, das sie für den Notfall brauchen könnten; ihre Parkas angezogen, obwohl es nicht kalt war; die Schleifen ihrer kleinen Converse-Schuhe zugebunden.
Sie waren schon lange vor zehn fertig gewesen.
Um Viertel nach zehn hatten sie unten an der Treppe Stel lung bezogen und darauf gewartet, dass der »lustige Ausflug«, wie sie es nannten, endlich losging. Es wäre niedlich gewesen, hätte David sich nicht gefühlt, als zerrisse es ihm das Herz.
»Die beiden können es kaum erwarten, mich loszuwerden«, sagte er, als Jo die Mädchen über den Zufahrtsweg geleitete, eine Hand auf jeweils ein blondes Köpfchen gelegt. »Bei jedem anderen außer dir wäre ich richtig beleidigt.«
Jo drehte sich mit reumütigem Grinsen zu ihm um, beugte sich dann hinunter und flüsterte den Mädchen etwas zu.
»Wiedersehen, Daddy!«, rief Charlie.
»Wiedersehen, Daddy!«, wiederholte Harrie.
»Viel Spaß«, rief David zurück. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm gar nicht mehr zuhörten.
Nachdem er alle Bankauszüge aus dem Durcheinander heraussortiert hatte, machte er sich an die Quittungen. In Anbetracht der vielen Kleidungsstücke, die Nicci gekauft hatte, waren es erstaunlich wenige; alle datierten etliche Jahre zurück und beinhalteten teure Einkäufe.
Eine Chanel-Quittung aus dem Jahr 1996. David brauchte sie gar nicht zu lesen. Er wusste, wofür die Quittung war und wie viel die Tasche gekostet hatte. Dieser Kauf hatte damals zu einem Riesenstreit zwischen ihnen geführt. Es war das einzige Mal, dass er das Gefühl gehabt hatte, Nicci sei die Erfüllung ihrer egoistischen Bedürfnisse wichtiger als ihre Beziehung. Sie hatten ein Guthaben angespart, um damit eine Wohnung anzuzahlen, und dann verschleuderte sie alles – alles, was ihr gehörte und vieles, was ihr nicht gehörte – für eine verfluchte Handtasche. Zu sagen, er sei ver letzt gewesen, wäre eine maßlose Untertreibung. Doch dann war auch sie verletzt gewesen, in Tränen aufgelöst – echte Tränen, keine gespielten –, weil er sie nicht verstand. Zu guter Letzt hatte er klein beigegeben. Wie so oft. Wie er es immer noch machte, obwohl sie tot war.
Als Nächstes zog er aus dem Stapel eine handgeschriebene Rechnung über die dreihundertfünfzig Pfund teuren Jimmy-Choo-Schuhe heraus. Ganz Riemchen und prinzessinnenhaft, so ganz und gar nicht Nicci, aber dennoch wunderhübsch. Dann eine Rechnung über zweihundert Pfund für ein Paar Church-Brogues mit lebenslanger Garantie. Sie hatte ihm die Schuhe zu Weihnachten geschenkt, dem ersten gemeinsamen Weihnachten nach der Hochzeit. David war damals nicht sehr angetan gewesen; hatte die Schuhe spießig und altväterlich gefunden. Doch sie hatte auch mit den Schuhen recht gehabt. Im Lauf der Jahre war er dazu übergegangen, sich selbst diese Brogues zu kaufen. Er zog sie seither kaum noch aus, außer zum Schlafen oder um die Schuhe zu putzen.
Nach den Quittungen und Rechnungen kam eine endlose Flut an sinnlosem Papierkram. Briefe von Wohltätigkeitsorganisationen, in denen man ihr für diese oder jene Spende dankte. Der Bericht über einen Abstrich, den sie vor der Schwangerschaft hatte machen lassen und der zum Glück keine Anomalien aufgewiesen hatte. Ein alter und – bei genauerer Durchsicht – fast schon kriminell inkorrekter Lebenslauf. Wahrscheinlich hätte man sich damals für so etwas strafbar gemacht. Der Lebenslauf landete auf dem Stapel, den er später, wenn die Mädchen zurück waren, schreddern wollte. Seine Töchter liebten es zu schreddern. Es fiel unter die Rubrik »lustig«.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stellte David fest, dass zwei Stunden vergangen waren.
Die Durchsicht der Unterlagen ging mehr als nur schleppend voran. Stöhnend richtete er sich auf und ging zu dem Fenster, das in den Garten hinausblickte. Als er Lizzie das erste Mal an einem der Blumenbeete sah, hatte er das als Störung empfunden, hatte sich in seinem eigenen Haus plötzlich unwohl gefühlt. War es überhaupt noch sein Zuhause?, hatte er sich gefragt. Doch zu seiner Überraschung verspürte er jetzt einen Anflug von Enttäuschung darüber, dass der Garten leer war.
Entschlossen, die einmal vorgenommene Arbeit zu beenden, brühte er sich eine Kanne Kaffee auf und wandte sich wieder Niccis
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