Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Tofu angesagt.«
»Darum geht’s nicht«, erwiderte Dan. »Ich finde einfach, du brauchst einen freien Tag. Es ist spät, und eigentlich solltest du samstags gar nicht arbeiten. Und seit Nicci, ähm, du weißt ja, gestorben ist …«, er verzog das Gesicht, als handelte es sich dabei um eine ansteckende Krankheit, »… na ja, seitdem sind wir nur zwei, drei Mal bei David gewesen. Ich vermiss ihn irgendwie, verstehst du? Und Si auch. Sogar Sam und Thomas. Ein bisschen«, fügte er verlegen hinzu.
Schuldgefühle stiegen in Mona auf. Wie hatte sie nur so blind sein können?
Sie war so darauf bedacht gewesen, David aus dem Weg zu gehen, um peinliche Situationen zu vermeiden, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, welche Folgen das für Dan haben würde. Abgesehen von Lehrern waren David und Si die einzigen männlichen Bezugspersonen, die Dan hatte. Rollenmodelle, an denen er sich orientieren konnte.
Sie bereute es nicht, Dan den Vater genommen zu haben, nicht eine Sekunde. Zumal Gregs Bemühen, den Kontakt zu seinem Sohn zu halten, nie über die obligatorischen Geburtstagskarten hinausgegangen war. Und auch die trafen mittlerweile nicht mehr ein – worüber Dan niemals auch nur ein Wort verlor. Aber David und Si übten einen guten Einfluss auf ihn aus. Sie trieben sich mit ihm herum, spielten Fußball mit ihm, und während sie sich Bälle zukickten, erzählte Dan, was ihn gerade bewegte. Und sie hörten ihm zu.
Schlechte Mutter, dachte sie abermals. Schlechte Mutter.
Die drohende Zurückweisung in Kauf nehmend, zog Mona ihren Sohn an sich und drückte ihn fest. Sie freute sich, als er es nicht nur duldete, sondern sie ebenfalls umarmte. Seine kräftigen Arme brachten sie einen Moment aus der Fassung. Sie musste dem Drang widerstehen, ihr Gesicht in seinem T-Shirt zu vergraben und loszuheulen.
»Weißt du, ich mach mir Sorgen um dich, Mum«, sagte er.
Mona schluckte. Eigentlich sollte das umgekehrt sein.
»Tut mir leid, Sohnemann«, sagte sie und löste sich aus der Umarmung. »Du hast recht. Ich werde mit David und Si reden und etwas ausmachen. Vielleicht nächstes Wochenende, wenn David Zeit hat? Und überhaupt, wer bist du denn?« Scherzhaft boxte sie ihm in den Arm. »Meine Mutter?«
Dans Miene blieb ernst. »Jemand muss sich ja kümmern.«
Irgendetwas muss ich streichen, dachte Mona, während sie drei Tropfen Lavendelöl in das heiße Wasser tröpfelte, das in die Wanne strömte. Und das durfte nicht Dan sein.
Sie wischte den Wasserdampf vom Badezimmerspiegel und betrachtete ihr müdes Gesicht. Das bisschen Schminke, das sie früher am Tag aufgelegt hatte, war längst verschwunden. Ihr schulterlanges Haar brauchte dringend einen neuen Schnitt. Und wenn sie sich nicht täuschte, waren, wenn sie ihr Haar für die Arbeit hochsteckte, an den Seiten ein paar graue Strähnen zu sehen. Energisch wischte sie erneut über den Spiegel und unterzog sich einer kritischen Musterung.
Wenn sie sich selbst auf der Straße begegnen würde, was würde sie sehen? Eine Frau Mitte, Ende dreißig, die noch voll im Saft stand? Eine nach wie vor junge, sportliche Frau, die tief im Inneren noch voller Hoffnung war, wenn sie sich das nur zugestehen könnte? Oder eine Frau mittleren Alters, gebeugt durch die Last der Verantwortung und verbittert wegen all der verpassten Gelegenheiten?
Sie klappte den Toilettendeckel hinunter, setzte sich darauf, legte die Beine auf den Wannenrand und beobachtete, wie das Wasser langsam anstieg. Der Nagellack an den Zehen war abgesplittert, aber ihre von Natur aus dunkle Haut wies noch Reste von Sommerbräune auf. Wann hatte sie sich das letzte Mal die Zehen pedikürt?
Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, ihre aufgestaute Wut über Neils mieses Verhalten irgendwie abzureagieren. Doch jetzt, wo sie daran dachte, kehrte ihre Wut zurück, nur diesmal auf sich selbst. Mona war immer stolz auf ihre »das Leben ist das, was du daraus machst«-Einstel lung gewesen. Und trotzdem hatte es ihres vierzehnjährigen Sohns bedurft, um sie darauf hinzuweisen, dass nur sie allein ihr Leben ändern konnte. Auch wenn Dan das in andere Worte gekleidet hatte.
Gut, sie war die Erwachsene. Die Mutter . Es wurde Zeit, dass sie sich darauf besann. Mona hatte die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten Probleme durch einen Jobwechsel, Partnerwechsel oder Ortswechsel (in extremen Fällen auch durch Auswandern) lösen ließen. Obwohl es verlockend war, glaubte sie nicht, dass Dan davon begeistert wäre, seine
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