Die besten Freunde meines Lebens - Roman
und ging sofort zum Fenster, um die Samtvorhänge zuzuziehen. Gerry knipste hinter ihr das Licht an.
»Und warum bist du dann nicht geselliger?«
»Die Frauen in diesem Kreis kennen sich«, erwiderte Liz. »Sie treffen sich zum Frühstück und zum Mittagessen, gehen zusammen shoppen. Sie haben etliche Themen, über die sie reden können. Ich habe sie erst ein paar Mal ge sehen.«
Sie fügte nicht hinzu, der einzige Job dieser Frauen sei es zu repräsentieren, weil sie seine Antwort sowieso kannte.
»Ihr könntet Freundinnen werden.« Gerry zog seine Smokingjacke aus und warf sie über einen Armlehnsessel. »Du müsstest dich nur ein bisschen anstrengen. Dir mehr Mühe geben. Sie würden dich mit offenen Armen auf nehmen.«
Lizzie bezweifelte das zwar, sagte aber nichts dazu.
Diese Frauen und sie waren völlig unterschiedlich. Sie waren Frauen des einundzwanzigsten Jahrhunderts, die ein 1950er-Leben führten, mit perfekten, fitnessgestählten Körpern, perfekten Häusern, für deren makellose Sauberkeit dreimal in der Woche eine Putzfrau sorgte, und perfekten Privatschulkindern. Im Vergleich zu ihnen wirkte sie wie eine verlotterte Obdachlose. Und sie sorgten dafür, dass sie sich auch so fühlte.
»Ich habe keine Zeit, stundenlang herumzusitzen und Kaffee zu trinken«, sagte sie, während sie ins angrenzende Badezimmer ging, um sich bettfertig zu machen. Mit geübten Handgriffen schminkte sie ein Auge ab, was ihr ein seltsam schiefes Aussehen verlieh.
»Du könntest dir die Zeit nehmen«, beharrte Gerry, der ihr in das winzige Badezimmer nachgetapst war.
»Ich habe einen anstrengenden Job an der Schule, ich habe meine eigenen Freundinnen und …«
»Du brauchst dich nicht so abzuplagen.« Gerry trat hinter sie, legte das Kinn auf ihre Schulter, fuhr mit den Händen unter ihr Wickelkleid und streichelte ihren Bauch. Instinktiv hielt Lizzie die Luft an.
»Bei dem vielen Geld, das ich verdiene, brauchst du überhaupt nicht zu arbeiten, Schatz. Es gibt genügend andere Dinge, die du tun könntest …« Er küsste ihren Hals.
»Und was ist mit meinem Beruf?« Lizzie konnte es kaum fassen, dass sie schon wieder bei diesem Thema waren. Wie sie es auch nicht fassen konnte, dass er allen Ernstes glaubte, sie wollte nach diesem Abend Sex mit ihm haben.
»Dein Beruf ist nicht gerade das, was man unter einer ›Karriere‹ versteht, oder?« Sarkastisch hob er das Wort hervor.
Lizzie schluckte und zählte langsam von zehn rückwärts.
Im Spiegel sah sie ihrer beider Gesichter: seines rot vom exzessiven Rotweingenuss, ihres bleich und sommersprossig, ein Auge geschminkt, das andere ungeschminkt, den Wattepad noch in der Hand. Gerry fing ihren Blick auf und hielt ihn fest. Sie spürte, wie er die Hüften an sie presste. »Es gibt andere Dinge, die du tun könntest«, wiederholte er.
Es war dieselbe alte Leier, wann immer sie etwas unternahmen, was mit Gerrys Arbeit zu tun hatte, dachte Lizzie, als sie in der Dunkelheit lag und auf das Lichtdreieck an der Decke starrte. Sie hörte, wie neben ihr Gerrys Atemzüge langsamer und tiefer wurden. Waren alle Männer so simpel?, fragte sie sich. Rein, raus, herunterrollen, schlafen? Aber woher sollte sie das wissen? Es hatte nur einen anderen gegeben, doch das war lange her, und sie waren beide so unbeholfen gewesen, dass sie ihn aus dem Gedächtnis gelöscht hatte.
So leise wie möglich stopfte sie Kissen unter ihren Kopf, um es bequemer zu haben. Eine lange, schlaflose Nacht lag vor ihr. Da konnte sie es sich zumindest gemütlich machen.
Diese Abende gingen immer gut los, voller Erwartung und Hoffnung. Lizzie aufgeputzt, als ginge sie auf eine Hoch zeit, und Gerry voll des Lobes, wie hübsch sie doch aussehe, »wenn sie sich Mühe gebe«. Lizzie ignorierte die darin enthaltene Kritik: dass sie normalerweise nicht hübsch aussah und sich keine Mühe gab.
Doch nachdem er Unmengen von Wein in sich hineingekippt und Lizzie zermürbende drei Stunden lang zugehört hatte, wie Leute, die sie kaum kannte, sich über Privatschulen und Immobilienpreise unterhielten, war der Streit unvermeidlich.
Insgeheim vermutete Lizzie, dass ihre Streitigkeiten nichts damit zu tun hatten, wie viel Mühe sie sich gab, sondern einzig da mit, dass sie keine Blondine mit Kleidergröße sechsunddrei ßig war, die drei reizende, kluge Kinder produziert hatte und einen perfekten Haushalt führte.
Nein, das war nicht fair. Gerry wollte nicht Michaels Frau. Er wollte Michaels Leben . Vorzugsweise
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