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Die besten Freunde meines Lebens - Roman

Die besten Freunde meines Lebens - Roman

Titel: Die besten Freunde meines Lebens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nicht Mrs. O’Hara war. Das war der Name ihrer Mutter.
    »Wie geht es Mum?«, fragte sie.
    Janet schürzte die Lippen, und Lizzie meinte fast die Luft zu spüren, die sie durch die zusammengebissenen Zähne ein sog. Sie war das Pflegeheim-Äquivalent eines Automechanikers, bedenkliches Kopfwackeln, Luft durch die Zähne einziehen und: »Das kriegen wir schon hin, wird Sie aber einiges kosten.«
    »Gar nicht gut, Mrs. O’Hara.« Janet hielt inne, beäugte Lizzie stirnrunzelnd über den Rand ihrer Brille hinweg. »Wie wir letztes Mal besprochen haben, nimmt das aggressive Verhalten Ihrer Mutter, das vor einigen Monaten begonnen hat, immer ausgeprägtere Formen an. Sie hat nach den Schwestern geschlagen, und diesbezüglich haben wir strenge Regeln.«
    Lizzie nickte. Sie wusste, was nun kommen würde, hatte genügend Bücher über dieses Thema gelesen. Bevor sie sich mit Gärtnern beschäftigt hatte, hatte sie in der Bücherei nur Bücher über Alzheimer ausgeliehen.
    »Ihre Mutter benötigt eine besondere fachliche Pflege. Nun, wie ich erklärt habe, bieten wir das gegen entsprechende Zuzahlung an. Für Ihre Mutter wäre es jedenfalls besser. Sie können sie natürlich auch in einer anderen Institution unterbringen, wo man auf ihre Bedürfnisse besser eingestellt ist. Das liegt ganz bei Ihnen.«
    Lizzie merkte, wie ihr erwachsener Schutzschild zerbröckelte. Kein noch so dicker Panzer konnte sie davor schützen. Es kam nicht überraschend, doch seit Mums geistige Verwirrung begonnen hatte, befand sich Lizzie in einerVerweigerungshaltung, ganz im Sinne von Niccis Drei-Phasen-Regel: Wenn dir jemand etwas Unangenehmes mitteilt, solltest du es beim ersten Mal ignorieren, beim zweiten Mal beginnen, darüber nachzudenken, beim dritten Mal musst du handeln. Jetzt war das dritte Mal.
    Sie ließ sich in den grauen Plastikstuhl vor dem Schreibtisch sinken und heftete den Blick auf die gerahmten Zertifikate an der Wand hinter Janets Kopf. Eine Auszeichnung für Gesundheit und Sicherheit, eine andere für exzellente Führung. Janets Blick wurde hinter den Gläsern ihres Krankenkassengestells merklich weicher.
    »Was rät Dr. Clifton?«, fragte Lizzie.
    »Das soll er Ihnen besser selbst sagen.« Janets Ton verriet, dass es nicht ihr Job war, derartige Auskünfte zu erteilen. »Leider hat er dieses Wochenende keinen Dienst. Wir können natürlich einen Termin ausmachen. Irgendwann nächste Woche, wenn Ihnen das zeitlich möglich ist. Möchte Ihre Schwester auch dabei sein?«
    Lizzie verbiss sich ein bitteres Lachen. »Karen ist froh, wenn ich ihr die Entscheidungen abnehme.« Die Lüge ging ihr leicht über die Lippen. Karen war darüber alles andere als froh. Doch solange sie ihren Hintern nicht in ein Flugzeug setzte und ihre Mutter besuchte, musste sie mit Lizzies Entscheidungen leben. Allerdings würde Lizzie das Karen niemals ins Gesicht sagen.
    »Ich werde zu Hause gleich in meinem Terminkalender nachsehen und Sie dann anrufen«, sagte Lizzie. »Wenn ich gehört habe, was Dr. Clifton vorschlägt, werde ich mit Karen sprechen.« Sie holte tief Luft. »Offen gestanden ist es eher unwahrscheinlich, dass wir Mum in ein anderes Heim verlegen. Wenn Sie mir also die ungefähren Kosten nennen könnten, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
    Die Leiterin nickte und stand auf. »Gut, dann wollen wir uns mal auf die Suche nach Mrs. O’Hara machen.«
    Lizzie wusste, es war nur eine freundliche Phrase. Denn wohin sollte ihre Mutter gegangen sein? In die Stadt, um eine Runde zu shoppen?
    Lizzies Mutter befand sich dort, wo sie immer war. In ihrem Zimmer, in einem Armlehnsessel, den Blick nach draußen auf den leeren Rasen gerichtet. Manchmal war zu ihrer Unterhaltung eine Amsel da oder sogar ein Specht. Oder, Aufregung über Aufregung, ein Gärtner mähte den Rasen oder Kaninchen tollten unter den Koniferen herum. Janet behauptete, Lizzies Mutter habe einmal sogar einen Hirsch gesehen. Heute: nichts. Ein leises Murmeln durchwebte die Stille. Als Lizzie es das erste Mal gehört hatte, dachte sie, es käme vom Gemeinschaftsraum am Ende des Gangs. Inzwischen wusste sie es besser. Das Murmeln kam von ihrer Mutter, deren Lippen sich in einem endlosen, kaum hörbaren Gespräch mit sich selbst bewegten. Manchmal ein leises Murmeln wie heute, dann wieder, wenn sie unruhig war, laut und in innerem Streit mit jemandem.
    »Sehen Sie nur, wer da ist, Mrs. O’Hara«, sagte Janet, als spräche sie mit einem Kind. »Es ist Ihre Tochter. Elizabeth.«
    Keine

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